Chodorkowski-Prozess: Medwedew kritisiert Putin
Moskau (dpa) - Kremlchef Dmitri Medwedew hat den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin für dessen Einmischung in den Prozess gegen den inhaftierten Kremlkritiker Michail Chodorkowski kritisiert.
„Weder der Präsident noch ein anderer Beamter hat das Recht, ihre Position in diesem Fall oder irgendeinem anderen Verfahren vor dem Urteilsspruch wiederzugeben“, sagte Medwedew am Freitag in einem Live-Interview im Staatsfernsehen. Putin hatte dagegen kürzlich ebenfalls im TV eine neue Strafe für Chodorkowski gefordert, der 218 Millionen Tonnen Öl unterschlagen haben soll. Dieser hat die Vorwürfe stets als politisch motiviert zurückgewiesen.
Chodorkowskis Anwältin Karina Moskalenko zeigte sich erfreut über Medwedews Äußerung. Dagegen sagte die Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinki Gruppe der Agentur Interfax: „Mir scheint, sie spielen "Guter Polizist, böser Polizist"“. Medwedew habe mit seiner Aussage anerkannt, dass das Gericht in dem Prozess unter erheblichem Druck der Behörden stehe, sagte der Politologe Gleb Pawlowski der Agentur.
Beobachter vermuten, dass die russische Führung den weiterhin einflussreichen und finanzstarken Chodorkowski über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen will und der 47-Jährige deshalb zu einer weiteren Gefängnisstrafe verurteilt wird. Der frühere Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos sitzt derzeit wegen Geldwäsche eine achtjährige Haftstrafe ab, die 2011 endet. Jetzt wurde ihm wegen der Unterschlagungsvorwürfe erneut ein Prozess gemacht.
Unterdessen veröffentlichte die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ einen offenen Brief Chodorkowskis an Putin. Er wünsche dem Ex-Kremlchef „Herzensgüte und Toleranz“, heißt es darin. Die Liebe zu Hunden sei das einzige Gefühl, das Putin öffentlich zeige, schrieb Chodorkowski. Er hatte seinen Erzfeind wiederholt scharf kritisiert und zum Rücktritt aufgefordert.
Deutschland betrachte den Prozess als Test für den Rechtsstaat in Russland, sagte der deutsche Botschafter Ulrich Brandenburg der Agentur Interfax. Das Urteil gegen Chodorkowski soll vom kommenden Montag an verlesen werden.