Frankreichs Rechte auf dem Vormarsch
Nachfolge: Marine Le Pen tritt mit fragwürdigen Thesen in die Fußstapfen ihres rassistischen Vaters Jean-Marie.
Paris. Sie hatten den „Front National“ schon für erledigt erklärt. Sobald ihr charismatischer Gründer Jean-Marie Le Pen (82) nicht mehr an der Spitze stehen würde, so die weitverbreitete Annahme, sei der Front endgültig mausetot. Nun, in gut einem Monat geht die bald vier Jahrzehnte währende Ära des Patriarchen tatsächlich zu Ende. Auf dem XIV. Kongress Mitte Januar in Tours wird der Parteiführer abtreten. Und siehe da: Der „Front National“ (FN) ist lebendiger denn je. Das überraschende Wiedererstarken der französischen Rechtsextremen hat einen Namen: Marine Le Pen, mit großer Wahrscheinlichkeit nächste Vorsitzende, ist das neue Gesicht der Partei.
Gemessen an der Garde alter Männer im „Front“ ist die 42 Jahre alte Vize-Präsidentin nicht nur sehr jung, sie wirkt sogar überraschend modern.
Verbot der Abtreibung — diesen antiquierten Passus will sie am liebsten sofort aus dem Parteiprogramm streichen. Sie trägt Jeans und setzt selbst in kritischen Momenten ein gewinnendes Lächeln auf. „Le Pen light“ also? Nicht wirklich. Denn ideologisch schlägt die Tochter haargenau in dieselbe Kerbe wie der Vater. Also eher: alter Wein in neuen Schläuchen.
„Entdämonisierung“ des „Front National“ nennt sie ihre ehrgeizige und von sichtbarem Erfolg gekrönte Kampagne. In der Sympathieskala hat sie sich um glatte fünf Punkte auf 27 Prozent verbessert. Eine Frau geht ihren Weg, am liebsten bis nach oben. „Ja, ich bin fürs Präsidentenamt geeignet“, sagt sie selbstsicher.
Marine Le Pen verzichtet konsequent auf jene schlimmen Entgleisungen, für die ihr notorisch hetzender Vater, ein bekennender Rassist und Antisemit, so berüchtigt ist. Abstruse Thesen etwa, wonach der Holocaust „nur ein Detail des Zweiten Weltkriegs“ gewesen sei, gehen ihr nicht über die Lippen.
Aber gebetsmühlenartig warnt sie vor den für Frankreich angeblich so schädlichen Folgen der Globalisierung. Obwohl EU-Abgeordnete, bekämpft sie die Europäische Union, das trotz etlicher Makel so erfolgreiche Vereinigungs- und Friedensprojekt, bis aufs Messer. Und trifft mit unrealistischen, aber populären Maximalforderungen wie „Raus aus der EU“ und „Raus aus dem Euro“ den Nerv patriotisch gesinnter Franzosen. Ihr rückwärts gewandtes Weltbild entspricht exakt dem des Vaters: Darin ist Frankreich heile Welt, so wie einst in der Dritten Republik. Wieder „Grande Nation“, stolze Weltmacht.
Die Karte, die jedoch am häufigsten sticht, ist die aller Populisten. Unablässig schürt die 42-Jährige die Angst vieler Franzosen vor Immigration und Islamismus. Und zeichnet das beklemmende Bild eines Frankreich, das sich selber abschafft. Einen überaus erfolgreich inszenierten Mediencoup landete sie jetzt, als sie die öffentlichen Straßengebete von Muslimen mit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg verglich. „Gewiss, heute gibt’s keine Panzer, gleichwohl ist es eine Besatzung“, sagt sie.
Der politische Gegner wirft ihr vor, Muslime zu Sündenböcken abzustempeln. Doch damit kann sie gut leben. Denn: Die Reaktionen in den Internetforen der Online-Medien, also dort, wo sich Volkes Stimme nahezu ungefiltert artikuliert, fallen zu 90 Prozent positiv aus. Jean-François Copé, der neue Gaullisten-Chef, bringt die Euphorie ernüchtert auf den Punkt: „Marine Le Pen ist nichts anderes als die Fortsetzung ihres Vaters.“