Ausland Das sind die Folgen des US-Angriffs

Präsident Donald Trump riskiert eine Eskalation des Konflikts in Syrien. Die Zahl der Flüchtlinge könnte sich vervielfachen.

Dem US-Verteidigungsministerium zufolge wurden von Kriegsschiffen im Mittelmeer 59 Marschflogkörper des Typs Tomahawk abgeschossen.

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1.) Angriff ohne Rechtsgrundlage?
Für den US-Angriff gab es kein UN- oder sonstiges Mandat. Sowohl Donalds Trumps republikanische Partei als auch die Demokraten sind der Auffassung, dass der US-Präsident dringend den Kongress mit dem Thema befassen und eine Genehmigung einholen muss, etliche Senatoren sehen sein Vorgehen als nicht von der Verfassung gedeckt an. Anders als die Luftschläge gegen den IS, sind Angriffe auf die reguläre syrische Armee nach ihrer Ansicht nicht durch die juristische Absicherung des „Kriegs gegen Terror“ gedeckt. In der Sache betrachten die meisten führenden Republikaner den Angriff als angemessen und gerechtfertigt. Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete die Operation als „Angriff gegen einen souveränen Staat". Aus Sicht internationalen Rechts trifft dies ohne Frage zu.

2.) Hat der Angriff sein Ziel erreicht?
Laut US-Verteidigungsministerium zielten die 59 eingesetzten Marschflugkörper auf Flugzeuge, Flugzeugbunker, Treibstoff- und Logistiklager, Munitionsversorgungsbunker, Luftabwehrsysteme und Radaranlagen auf der Shyrat-Luftwaffenbasis, die als ausgeschaltet und weitgehend zerstört gilt. Das Pentagon ist aber nicht sicher, über wie viele weitere Möglichkeiten das Regime von Assad verfügt, Giftgas-Angriffe gegen die eigene Bevölkerung durchzuführen. Das gewöhnlich gut unterrichtete Militär- und Rüstungsmagazin "Jane's Defence" berichtete gestern, bei dem Angriff seien 15 syrische Jets zerstört worden. Es sollen aber elf Kampfjets kurz vor dem Angriff verlegt worden sein.

3.) Warum setzte das Pentagon Marschflugkörper ein?
Der Angriff hätte nur unter großem diplomatischen Aufwand von einem Land-Stützpunkt am Mittelmeer erfolgen können, für das Pentagon lag daher ein Angriff mit Mitteln der US-Marine nahe. Der Supercarrier USS George H.W. Bush kreuz relativ weit entfernt im Persischen Golf, im Mittelmeer hätten der Marine auf Schiffen lediglich ältere Senkrechtstarter des Typs Harrier zur Verfügung gestanden. Durch den Einsatz der Marschflugkörper konnte das US-Militär vermeiden, erst die syrische Luftabwehr ausschalten und einen direkten Konflikt mit russischen Streitkräften riskieren zu müssen.

4.) Warum wurden gleich 59 viele Raketen eingesetzt?
Aus US-Sicht war der Angriff kein Schlag mit dem Hammer. Zum Vergleich: Beim letzten Golfkrieg feuerte das US-Militär in den ersten 48 Stunden rund 3000 Marschflugkörper ab. Ihr Vorteil liegt darin, dass ein Angriff aus rund 1000 Kilometer Entfernung erfolgen kann. Ihre Zerstörungskraft liegt bei konventionellen Sprengköpfen von 450 Kilogramm jedoch weit unter der von modernen Flugzeug-gestützten Waffen. Die 59 eingesetzten „Tomahawks“ dürften den US-Steuerzahler mehr als 75 Millionen US-Dollar gekostet haben.

5.) Welche RolSpielen die eingesetzten US-Kriegsschiffe eine Rolle?
Die beiden Lenkraketen-Zerstörer USS Ross und die USS Porter gehören zur 6. US-Flotte im Mittelmeer und sind im spanischen Hafen Rota (bei Cadiz) stationiert. Die USS Porter war in der jüngsten Vergangenheit immer wieder in Konfrontationen mit russischen See- und Luftstreitkräften verwickelt. Im Februar befand sich die USS Porter im Schwarzen Meer und hatte (laut US-Marine) drei kritische Zusammentreffen mit russischen Flugzeugen. Die Flugmanöver der Russen bezeichnete die US-Marine als grob leichtsinnig und unprofessionell. Eines der russischen Flugzeuge, ein bewaffneter SU-24 Kampfjet, sei dabei mit einer Geschwindigkeit von 900 Stundenkilometern bis auf 300 Meter an die USS Porter herangekommen und in einer Höhe von 60 Metern geflogen. Dass die US-Marine, der in der 6. Flotte insgesamt 15 Lenkraketen-Zerstörer der gleichen Klasse zu Verfügung stehen, einen Teil der Tomahawks von der USS Porter aus abfeuerte, dürfte ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Russen gewesen sein.

6.) Was bedeutet die russische Kündigung der Luftraum-Vereinbarung?
Nichts Gutes. Bislang haben die USA und Russland eine Vereinbarung, sich zur Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum gegenseitig über Flüge zu informieren. Ohne solche Informationen riskieren beide Seiten nun dauerhaft Konfliktlagen, die leicht mit einem Flugzeugabschuss enden können. Die syrische Armee verfügt über ein russisches Flugabwehrsystem des Typs S-200 mit Boden-Luft-Raketen. Dieses System könnte zumindest Spezial-Versionen der US-Kampfflugzeuge vom Typ F/A-18F Super Hornet überwinden, die die US-Marine auf ihren Flugzeugträgern einsetzt. Russische Streitkräfte sollen in Syrien zur Unterstützung Assads aber weiterhin auch modernere S-300-and S-400-Flugabwehrsysteme bereithalten, die eine erste Gefahr darstellen.

7.) Wie geht es nun weiter in Syrien?
Das ist aus drei Gründen ungewiss. Erstens ist nicht bekannt, ob US-Präsident Trump mit dem Angriff eine Strategie verfolgt oder beim Essen lediglich den chinesischen Staatschef zum Nachtisch beeindrucken wollte. Zweitens kann Trump — mit oder ohne Strategie — nicht sicher sein, wie die amerikanische Öffentlichkeit reagiert, wenn die Folgen des Angriffs auf eine dauerhafte Eskalation hinauslaufen. Drittens: Um einen Krieg anzufangen, reicht einer. Um Frieden zu schließen, braucht man mindestens zwei. Russlands Reaktion auf den US-Angriff ist ebenso ungewiss wie das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein einer Strategie bei Trump.

8.) Wie sind Europa und Deutschland betroffen?
Kommt darauf an. Militärisch zunächst (hoffentlich) gar nicht. Die Bundesregierung sollte schnellstens klarstellen, dass die deutschen Tornados in der Region kein Aufklärungsmaterial für den US-Angriff geliefert haben. Die Eskalation zwischen den USA, Assads Regime und Russland kann jedoch — mit allen denkbaren Konsequenzen — in der Folge die Zahl der aus Syrien fliehenden Menschen noch einmal vervielfachen, was absolut in Putins Interesse läge. Ihm ist aber schon damit geholfen, dass US-Präsident Trump selbst den Keil zwischen sich und Europa treibt.