Debatte um Quadriga für Putin zieht weite Kreise
Berlin (dpa) - Der Wirbel um den Einheitspreis Quadriga für Russlands Premier Wladimir Putin geht weiter: Kuratoriumsmitglieder des preisverleihenden Vereins Werkstatt Deutschland distanzieren sich von der Entscheidung, die das Gremium extra noch bekräftigt hatte.
Wikipedia-Gründer Jimmy Wales widersprach in der russischen Zeitung „Iswestija“ (Mittwoch) der Darstellung des Vereins, er habe von der Abstimmung des Kuratoriums gewusst. „Ich bedaure, dass Quadriga meinen Namen in dieser Weise benutzt. Mich hat niemand gebeten, für oder gegen jemanden zu stimmen.“
Vereinssprecher Stephan Clausen erklärte der Nachrichtenagentur dpa, nach dem Votum der anderen Kuratoriumsmitglieder seien die Nichtanwesenden schriftlich informiert worden und hätten einschreiten können. Wales sagte der Zeitung, er habe das Gremium verlassen und einen scharfen Protestbrief an Werkstatt Deutschland geschickt.
Zuvor war bereits Grünen-Chef Cem Özdemir von seinem Kuratoriumsposten wegen des Streits um die Quadriga-Vergabe zurückgetreten. FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos ließ in einer Mitteilung erklären, sie hätte sich bei der Wahl enthalten - wäre sie bei der Gremiumssitzung dabei gewesen.
Kritik an der Vergabe des undotierten Preises gibt es vor allem, weil Putin mangelnde Beachtung der Menschenrechte vorgeworfen wird. Der Verein will hingegen den Einsatz für die deutsch-russische Partnerschaft auszeichnen. Am Dienstag hatte das Gremium nach zwei Krisentreffen seine Entscheidung bestätigt, den Ex-Kremlchef knapp ein halbes Jahr vor der Präsidentschaftswahl in Russland zu ehren.
Der tschechische Bürgerrechtler Simon Panek, der 2004 mit der Quadriga ausgezeichnet wurde, teilte am Mittwoch in Prag mit: „Ich will mich definitiv nicht in gleicher Reihe mit Putin sehen.“
Rückdeckung für das Votum kam von Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen, der - wie auch Wales - Quadriga-Preisträger ist und nach dpa-Informationen bei der Wahl pro Putin eine beratende Funktion im Kuratorium innehatte. Der Preis werde nach subjektiven Kriterien vergeben, erklärte Westernhagen im 3sat-Interview. „Wer subjektiv urteilt, muss (...) eine starke Haltung haben.“ Diese müsse man nicht immer teilen. „Im Fall der Verleihung der Quadriga an Wladimir Putin fällt mir das zum Beispiel außerordentlich schwer, aber ich habe auch schon über manchen Nobelpreisträger gestaunt.“
Putin selbst äußert sich weiterhin nicht. „Wir halten uns nicht für berechtigt, uns in eine innere Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung (des Vereins) einzumischen“, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow laut „Iswestija“. „Es gibt sicher klare Statuten - und nur die Beteiligten können entscheiden, ob sie erfüllt sind oder nicht.“ Auf der Homepage des Vereins heißt es unter anderem: „Eine Quadriga honoriert eine besondere bürgerschaftliche Haltung.“
Der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, erinnerte daran, dass Putin als Offizier des sowjetischen Geheimdiensts KGB eine Stütze der kommunistischen Diktaturen war. „Es spricht (...) nicht für das Netzwerk Quadriga, ausgerechnet Wladimir Putin für preiswürdig zu halten“, sagte Jahn der „Rheinischen Post“ (Mittwoch).
Putin soll den Preis am Tag der Deutschen Einheit erhalten. Er werde wegen seiner „Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen“ geehrt, heißt es offiziell.
Bereits 2009 hatte eine deutsche Auszeichnung Putins Kritik ausgelöst: Beim Dresdner SemperOpernball bekam er einen „Dankorden“ für Verdienste um den deutsch-russischen Kulturaustausch.