Der arabische Frühling und die Frauen
Die Autorin Sineb El Masrar (30) hat marokkanische Wurzeln. Den politischen Umbruch in Nordafrika beobachtet sie mit Vorsicht und Optimismus.
Düsseldorf. Sie trägt kein Kopftuch, geht regelmäßig ins Fitness-Studio, ist geschieden. Sie leitet eine eigene PR-Agentur und ist seit fünf Jahren Herausgeberin und Chefredakteurin des Frauen-Magazins „Gazelle“. Darin geht es Sineb El Masrar (30) um Schicksale und Geschichten von Frauen mit Migrations-Hintergrund. Ebenso in ihrem ersten Buch „Muslim Girls: Wer wir sind, wie wir leben“, das die Tochter eines marokkanischen Auto-Schlossers auf einer Lese-Tour quer durch die Republik vorstellt.
Sie selber fühlt sich in Deutschland zu Hause, spricht akzentfrei deutsch. Ihr Vater verließ 1960 Marokko. 18 Jahre folgte später Sinebs Mutter. Arabisch spricht Sineb nur mit ihrer Mutter, oder wenn sie in den Ferien Verwandte besucht. Den arabischen Frühling beobachtet Sineb El Masrar mit Vorsicht. Und Optimismus. „Man kann nicht erwarten, dass sich in den Maghreb-Staaten und Ägypten Demokratie nach westlichem Vorbild und Frauen-Emanzipation im Eiltempo durchsetzen.“ Das brauche Zeit, ähnlich wie vor 90 Jahren in Westeuropa.
Zu der Entwicklung in Tunesien sagt sie: „Wir müssen schauen, ob sich die islamische Partei, die vorher im Untergrund kämpfte und jetzt die Wahl gewonnen hat, auch für Bildung, Gleichberechtigung und Pressefreiheit einsetzt“. Bisher habe sich diese Partei nicht als radikal gezeigt. Entscheidend sei: Können sich die Frauen, die in den Freiheitskämpfen Waffen geschmuggelt haben und in die Berge zogen, in der künftigen Politik behaupten?
Bei ihren Lesungen kreisen die meisten Fragen um die Verhüllung der Musliminnen. Offenherzig, mit einem Lächeln spricht El Masrar über die üblichen Klischees, gegen die sie angeht. In ihrem Buch verarbeitet sie Erfahrungen von 90 islamisch erzogenen Frauen und gelangt zu drei Typen: Die „High Potential“ Muslimin, zu der sich die Autorin zählt, sei selbstbewusst, kommunikationsfreudig, an Mode interessiert, auch religiös. Das „Natural Muslim Girl“ sei bodenständig, fleißig und arrangiere sich mit der klassischen Mutterrolle, egal ob mit oder ohne Schleier. Ganzkörperverhüllt sei nur der Typus „Black Beauty“, überwiegend in Saudi-Arabien und in den Golfstaaten anzutreffen.
In ihrer Generation seien viele emanzipierte Musliminnen anzutreffen. Sie studieren Mathematik, leiten Unternehmen, machen Karriere und managen gleichzeitig die Familie. Für viele sei der Schleier nur Ausdruck ihres Glaubens, resümiert sie. „Kopftuchfrei — das ist kein Symbol für Emanzipation“.