Der reichste Ukrainer nimmt den Kampf auf

Rinat Achmetow stellt sich offen gegen die Separatisten. Die erklären ihn dafür zum Feindbild.

Foto: Jens Kalaene

Donezk. Zwei Videobotschaften aus der Ost-Ukraine lassen die Lage in der Region plötzlich in einem anderen Licht erscheinen. Denn die Unterschiede zwischen dem Oligarchen Rinat Achmetow und dem Separatistenführer Igor Strelkow könnten kaum klarer ausfallen. Hier der adrett gekleidete Milliardär, der mit festem Blick zum Widerstand gegen die pro-russischen Kräfte ruft. Dort der unrasierte Militante in Tarnjacke, der die mangelnde Kampfbereitschaft der Regierungsgegner beklagt.

Mit dem Appell Achmetows („Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben!“), der sich nun erstmals deutlich gegen die moskautreuen Kämpfer ausspricht, könnte die Stimmung in der russisch geprägten Region zugunsten der Zentralregierung kippen, so Beobachter. Denn der reichste Mann der Ukraine ist dort der wichtigste Arbeitgeber. Seine Leute sitzen in Behörden an zentralen Stellen.

„Hunderttausende“, so berichtet Achmetows Zeitung „Segodnja“, seien nun im Donbass dem Aufruf ihres Lohnherrn gefolgt, aus Protest gegen die Separatisten die Arbeit kurzzeitig niederzulegen. Aus Wut über „Gewalt und Chaos, Banditentum und Plünderungen“ hätten Autofahrer am Mittag ein Hupkonzert veranstaltet.

Mutig weist zudem der Bürgermeister der Millionenstadt Donezk und Achmetow-Vertraute Alexander Lukjantschenko Rücktrittsforderungen der militanten Separatisten zurück. Auch dies, so meinen Kommentatoren, weise auf schwindenden Rückhalt der selbst ernannten „Volksrepublik“ hin.

Fast verzweifelt beschwört der Donezker „Verteidigungsminister“ Strelkow, angeblich ein Agent des Moskauer Militärgeheimdiensts GRU, den Kampf für die russische Erde. „Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren“, kritisiert er.

Russland hat bisher keine Anstalten gemacht, Soldaten zu schicken oder die Unabhängigkeit der „Volksrepubliken“ anzuerkennen. Der Befehl von Präsident Wladimir Putin zum Abzug der Truppen von der ukrainischen Grenze schwächt die Separatisten weiter.

Auch Achmetow betont, niemand kenne die neuen Machthaber. Mit Maschinenpistolen beherrschen diese die Straßen und benehmen sich oft wie Kriminelle anstatt wie Beschützer. Die Militanten haben nun den Oligarchen zum Feindbild ernannt. „Achmetow hat seine Wahl getroffen, leider richtet sie sich gegen die Bevölkerung im Donbass“, behauptet Anführer Denis Puschilin. In der Tat verachten weite Teile der ukrainischen Gesellschaft Oligarchen als undurchsichtige Geschäftemacher. Doch bisher weiß der Unternehmer etwa die große Gruppe der Bergarbeiter hinter sich.

Der einflussreiche Achmetow könnte nun einmal mehr das politische Schicksal des Landes mitbestimmen — auch aus Angst um sein Vermögen. Bereits zweimal hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den Unternehmer zuletzt zu Beratungen getroffen. Nur dem Runden Tisch der Regierung bleibt Achmetow bislang fern.

„Nun nimmt er alles in die eigene Hand, weil er sowohl der Schwäche der Kiewer Führung als auch der Frechheit der selbst ernannten Machthaber überdrüssig ist“, meint der Politologe Wadim Karassjow. Achmetow, so heißt es in Kiew, favorisiere den reichen Geschäftsmann Pjotr Poroschenko als neuen Präsidenten. Und auch Moskau scheint sich mit dem Süßwarenunternehmer als Staatschef arrangieren zu können. Nicht auszuschließen, meint Karassjow, dass sich Oligarch und Kreml abgestimmt haben.