Deutschland und Schweiz besiegeln Schwarzgeld-Pakt
Berlin/Bern (dpa) - Die Schweiz ist keine Steueroase mehr - deutsche Steuerbetrüger müssen sich neue Fluchtwege suchen. Für Kapitalerträge auf Schweizer Konten werden künftig genauso viel Abgaben fällig wie hierzulande.
Bei Alt-Vermögen können sich Schwarzgeld-Täter „reinwaschen“.
Deutschland und die Schweiz ziehen unter ihren Jahre langen Steuerstreit einen Schlussstrich. Beide Länder einigten sich am Mittwoch auf eine Besteuerung des Milliarden-Vermögens, das deutsche Steuerbetrüger bei Schweizer Banken geparkt haben. Neben der Regelung für Altfälle ist für künftige Erträge eine Abgeltungssteuer geplant, die Schweizer Banken für den deutschen Fiskus erheben.
Das Abkommen, das noch nicht endgültig unterzeichnet wurde und von den Parlamenten gebilligt werden muss, könnte Anfang 2013 in Kraft treten. Bund, Länder und Kommunen hoffen nun auf Milliardeneinnahmen. Die Höhe ist aber völlig ungewiss. Scharfe Kritik kommt von der Opposition. Die Länder wollen das Abkommen gründlich prüfen. Die Koalition und Schweizer Banken hingegen zeigten sich zufrieden.
Konkret können deutsche Kapitalflüchtlinge ihr bisher illegal in der Schweiz angehäuftes Schwarzgeld einmalig nachversteuern - zu Steuersätzen zwischen 19 und 34 Prozent. Damit wären Steuerschulden von Schwarzgeld-Tätern aus der Vergangenheit erledigt und das beiseitegeschaffte Vermögen legalisiert.
„Als Zeichen des guten Willens zur Umsetzung des Abkommens“ verpflichten sich Schweizer Banken, eine Vorauszahlung von zwei Milliarden Schweizer Franken (aktuell gut 1,9 Milliarden Euro) an Deutschland zu überweisen. Die Vorauszahlung wird mit den weiteren Einmalzahlungen aus der Nachversteuerung verrechnet.
Für künftige Kapitalerträge in der Schweiz müssen deutsche Anleger eine Abgeltungssteuer entrichten. Die Abgabe ist mit 26,375 Prozent genauso hoch wie die in Deutschland fällige Ertragsbesteuerung einschließlich „Soli-Zuschlag“. Wie bei der Nachversteuerung wird auch hier das Geld anonym an Deutschland überwiesen
Belastbare Angaben über die Schwarzgeldguthaben gibt es nicht. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 Milliarden und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben. Teils ist von bis zu 280 Milliarden Euro die Rede. Von den Einnahmen erhält der Bund weniger als die Hälfte, den Rest Länder und Kommunen.
Der deutsche Fiskus hatte bisher kaum Möglichkeiten, Steuerbetrüger zu belangen. Die Schweiz wiederum pocht auf das Bankgeheimnis. Nach teils heftigen Streitereien hoffen Berlin und Bern jetzt auf einen „echten Neuanfang“.
Unions-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach (CDU) lobte das Abkommen als weiteren Meilenstein im Kampf gegen Steuerhinterziehung. „Die Zeiten für Schwarzgeldkonten in der Schweiz sind endgültig vorbei.“ Das Abkommen führe zu mehr Steuergerechtigkeit und stärke die Einnahmebasis. Laut Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) hat der deutsche Fiskus Zugriff auf Kapitalerträge in der Schweiz.
Opposition und SPD-geführte Länder kritisierten das Abkommen. Die SPD-Fraktion im Bundestag sprach mit Blick auf die Altfall-Regel von einem „Ablasshandel“, der eine Ohrfeige für alle Steuerehrlichen sei. Die Steuergerechtigkeit werde Interessen der Schweizer Banken und ihrer straffälligen deutschen Kunden geopfert. Die SPD werde auch die verfassungsrechtlichen Zulässigkeit prüfen.
Zustimmen müssen auch die Länder. Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) kündigte an, die Länder würden die Pläne genau prüfen. Er hält es für „extrem problematisch“, dass Steuerhinterzieher weiter Anonymität genießen. Sollte mit dem Abkommen zudem ein Verzicht auf den Kauf von CDs mit Schweizer Bankdaten verbunden sein, gebe es „große Zweifel“, dass die Besteuerung schlüssig abgewickelt wird.
Die Grünen nannten das Abkommen einen „Freifahrtschein für die Schweizer Banken, denen der Vollzug der Regelungen anvertraut wird“. Anonymität führe zu einer faktischen Amnestie der Steuerhinterzieher. Schließlich würden Bemühungen auf EU-Ebene unterlaufen, konsequent mit einem Informationsaustausch gegen Steuerhinterziehung vorzugehen.
Aus Sicht der Linken werden „deutsche Steuerkriminelle und ihre Schweizer Helfer“ belohnt. Steuerbetrüger profitierten erneut von einer „unanständigen Großzügigkeit des deutschen Staates, den sie durch ihr Verhalten gezielt schädigen“. Bundestag und Bundesrat stünden nun in der Pflicht, das Inkrafttreten zu verhindern.
Die Schweizer Banken und die Berner Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigten sich hingegen zufrieden. Das Abkommen schaffe Rechtssicherheit und werde die Reputation des Finanzplatzes Schweiz langfristig stärken, erklärte Widmer-Schlumpf.
Nach Angaben der Schweizerischen Bankiervereinigung ermöglicht das Abkommen deutschen Kunden eine Brücke zur Steuerehrlichkeit bei Wahrung finanzieller Privatsphäre. Deutschland erhalte ohne Aufwand Steuersubstrat. Das Abkommen sieht auch ein einfachere Amtshilfe vor. Zugleich wird der Marktzugang für Schweizer Banken verbessert.
Der Deutsche Steuerberaterverband spricht von einer pragmatischen Lösung, „die dem deutschen Fiskus ohne großen Aufwand Milliarden einbringen wird“. Zur Kritik, Steuersünder blieben auf Dauer anonym, hieß es, beide Regierungen handelten lediglich zweckmäßig.