Maas in Ankara Deutschland und Türkei auf Versöhnungskurs
Ankara (dpa) - Deutschland und die Türkei wollen nach vielen Monaten des erbitterten Streits wieder auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen zusteuern.
„Es ist für Deutschland von strategischem Interesse, dass wir unsere Beziehungen zur Türkei konstruktiv gestalten“, sagte Außenminister Heiko Maas am Mittwoch zum Auftakt seines zweitägigen Antrittsbesuchs in der Türkei in Ankara. „Die Türkei ist mehr als ein großer Nachbar, sie ist auch ein wichtiger Partner Deutschlands.“
Maas hatte allerdings bereits vor seiner Reise die Freilassung der sieben aus politischen Gründen in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger zur Bedingung für eine Normalisierung gemacht. Er wollte die Einzelfälle bei seinen Gesprächen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Mevlüt Cavusoglu ansprechen. „Es ist kein Geheimnis, dass die Entwicklung der Türkei, insbesondere die Menschenrechtslage, uns Sorgen bereitet und unsere Beziehungen überschattet“, sagte Maas. „Davon zeugen nicht zuletzt die nach wie vor zahlreichen Haftfälle.“
Der deutsche Außenminister wurde bei seinem Antrittsbesuch nach seiner Ankunft in Ankara von Cavusoglu mit einer Umarmung begrüßt und sprach dann mit Parlamentspräsident Binali Yildirim. Anschließend kam er mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zusammen. Das ist protokollarisch zwar nicht zwingend bei einem solchen Besuch, trotzdem aber auch schon mal vorgekommen.
Die deutsch-türkischen Beziehungen waren unter anderem wegen der Verhaftungen Deutscher unter Terrorverdacht in der Türkei lange Zeit extrem schwer belastet. Die türkischen Behörden greifen seit dem gescheiterten Putschversuch vor gut zwei Jahren hart gegen Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen durch, die die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht, aber auch gegen andere Oppositionelle. Viele Journalisten sitzen in der Türkei im Gefängnis.
Trotzdem sollen die Weichen jetzt auf Versöhnung gestellt werden. Die Maas-Reise ist die erste einer ganzen Serie gegenseitiger Besuche beider Regierungen. Am 21. September treffen sich die Finanzminister in Berlin, Erdogan kommt am 28. und 29. September zum Staatsbesuch nach Deutschland, im Oktober reist dann Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer Wirtschaftsdelegation in die Türkei.
Unter den wichtigsten Themen des Maas-Besuchs war eins, bei dem beide Seiten an einem Strang ziehen: die drohende humanitäre Katastrophe bei einer Offensive gegen Idlib, die letzte Rebellenhochburg in Syrien. Deutschland werde „alles dafür tun“, um die, „die sich um eine politische Lösung in Syrien bemühen, dabei zu unterstützen, den Angriff auf Idlib und die drohende humanitäre Katastrophe zu verhindern“, sagte Maas.
Am Freitag findet ein von der Türkei organisierter Syriengipfel mit dem Iran und Russland statt. Die Türkei versucht seit Wochen fieberhaft, die Offensive zu stoppen, unter anderem wegen möglicher Flüchtlingsbewegungen in Richtung Türkei. In Idlib leben neben Tausenden extremistischen Rebellen auch rund drei Millionen Zivilisten.
Hoch oben auf der Agenda des Besuchs stand auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die ist für die Türkei nach Aussagen aus Regierungskreisen das wichtigste Thema. Das Land steckt in einer schweren Währungskrise. Maas sprach sich erneut gegen Finanzhilfen für die Türkei aus. „Ich glaube nicht, dass es im Moment darum geht, über Hilfsmaßnahmen zu reden“, sagte er am Flughafen. Aus türkischen Regierungskreisen war allerdings zu hören, dass die Türkei sich sowieso keine Finanzhilfen zur Bewältigung der Krise wünsche, sondern mehr Investitionen. Es gehe darum, dass Deutschland somit den nervösen Märkten ein Signal der Beruhigung zukommen lasse. Maas wird am Donnerstag auch deutsche Wirtschaftsvertreter treffen. In der Türkei sind mehr als 7100 deutsche Unternehmen aktiv.
Aus der Opposition in Deutschland kam viel Kritik an der Reise. Die stellvertretende Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen sagte, „statt Imagepflege für Despoten zu betreiben und mit Erdogan zu kungeln, braucht es klare Ansagen, die den Demokraten in der Türkei den Rücken stärken“.
Erdogan bemüht sich unterdessen weiter um einen öffentlichen Auftritt vor Landsleuten während seines Staatsbesuchs in Deutschland Ende September. „Es ist ganz normal für den Präsidenten, Menschen türkischer Abstammung zu treffen, wenn er nach Deutschland kommt“, sagte Erdogans Sprecher und Berater Ibrahim Kalin während eines Besuchs in Berlin vor Journalisten. Er betonte aber, dass Erdogan Einvernehmen mit der deutschen Seite über einen solchen Auftritt herstellen wolle.
Der Präsident wolle die deutsch-türkischen Spannungen im Zusammenhang mit dem türkischen Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr hinter sich lassen. „Wir sollten in die Zukunft schauen. Das ist der Geist, in dem wir hierher kommen“, sagte Kalin. Auftritte Erdogans in Deutschland hatten in der Vergangenheit heftige Proteste hervorgerufen. Kalin war in Berlin, um den Besuch Erdogans vorzubereiten.