Deutschland und Türkei um Entspannung bemüht
Doha/Istanbul/Köln (dpa) - Im Streit um das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen Demonstranten bemühen sich Deutschland und die Türkei um Entspannung.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kam am Rande des Treffens der Syrien-Kontaktgruppe in Doha mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu zu einem Gespräch unter vier Augen zusammen.
Man habe in „konstruktiver und freundschaftlicher Atmosphäre“ aktuelle Fragen erörtert, hieß es aus der Delegation. „Es gab einen intensiven Meinungsaustausch im Geiste von Partnern und Freunden.“ Dabei sei es auch um die Beziehungen der EU zur Türkei gegangen.
Wegen deutschlandkritischer Äußerungen der Regierung in Ankara war am Freitag der türkische Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioglu, ins Auswärtige Amt (AA) einbestellt worden. Kurz darauf bestellte das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter Eberhard Pohl ein. In Brüssel war zuvor bekanntgeworden, dass die EU voraussichtlich nicht wie geplant am kommenden Mittwoch ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnen werde.
Drei Wochen nach Beginn der Proteste in der Türkei wurde in Ankara und Istanbul Untersuchungshaft gegen 31 weitere festgenommene Demonstranten verhängt, wie die Zeitung „Hürriyet Daily News“ am Samstag in ihrer Onlineausgabe berichtete. Damit seien seit Beginn der Proteste 55 Demonstranten inhaftiert worden. In Ankara habe die Polizei in der Nacht zu Samstag erneut Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt.
Am Istanbuler Taksim-Platz hatten sich am Freitagabend wieder einige Hundert Menschen zum stillen Protest gegen die islamisch-konservative Regierung und die Polizeigewalt versammelt. Das Ausmaß der Proteste hat damit aber deutlich abgenommen.
Bei den landesweiten Protesten waren insgesamt vier Demonstranten und ein Polizist ums Leben gekommen. Tausende Menschen wurden verletzt. Zahlreiche zumeist friedliche Demonstranten wurden festgenommen. Die Protestwelle hatte sich an der Räumung eines Camps von Demonstranten im Gezi-Park am Taksim-Platz entzündet. Das brutale Vorgehen der Polizei wurde international kritisiert. Polizisten mussten sich bislang nicht für Straftaten verantworten.
In Köln demonstrierten am Samstag etwa 30 000 bis 40 000 Menschen gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Redner forderten Erdogans Rücktritt und sofortige Neuwahlen. Transparente trugen Aufschriften wie „Erdogan, der Wolf im Schafspelz“. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Überall ist Taksim“. Organisiert wurde die Kundgebung von der Alevitischen Gemeinde Deutschland, einer liberalen islamischen Gemeinschaft. Die Kölner Polizei sprach von einem „erfreulich friedlichen Verlauf“ der Kundgebung.