Die Krone dankt - Prinz Charles und seine Privilegien
London (dpa) - Wenn im südenglischen Cornwall ein Mensch ohne Verwandtschaft stirbt und er kein Testament gemacht hat, dann fällt sein Vermögen nicht der britischen Allgemeinheit zu.
Auch nicht der Kirche. Auch nicht einer Hilfsorganisation. In Cornwall hält - nach guter alter Väter Sitte - der künftige König die Hand auf. Das ist seit dem frühen 14. Jahrhundert so.
Im Jahr 2012 hat Prinz Charles auf diese Weise 450 000 Pfund (rund 540 000 Euro) gutgemacht, berichtet die britische Zeitungsgruppe „Guardian“. Insgesamt sitze er auf einem Vermögen von 3,3 Millionen Pfund allein aus diesen Erbschaften. Kritiker sehen Parallelen zur Zeit der Feudalherrschaft - auch wenn Charles Büro Wert auf die Feststellung legt, dass die Einnahmen an gemeinnützige Zwecke gespendet werden.
Das Recht auf das Erbe nicht-testamentarischer Nachlässe, in Cornwall unter der Bezeichnung „Bona Vacantia“ bekannt, ist nur eines von zahlreichen Privilegien, die Prinz Charles (65) in Großbritannien genießt. Sie betreffen vor allem sein Herzogtum von Cornwall, das stets dem Thronfolger zufällt und über das Charles zumindest einen Teil seines privaten Vermögens regelt. Dem Herzogtum gehören immenser Grundbesitz, Wälder, Fischgründe - aber zum Beispiel auch die Bioläden, die der Prinz betreibt.
Ein Abgeordneter des britischen Oberhauses will mit den Extrawürsten von Charles nun Schluss machen. Er legt einen Gesetzentwurf vor, den er ins Oberhaus einbringen will. „Es ist an der Zeit für das Parlament, die zunehmend dringliche Angelegenheit des verfassungsmäßigen Status des Prince of Wales in Augenschein zu nehmen und diese mittelalterliche Situation zu beheben“, sagte Lord Tony Berkely im „Guardian“. Er stützt sich auf Erkenntnisse des Rechtswissenschaftlers John Kirkhope. Der findet die Regelungen für Charles „höchst anstößig“. Sie verletzten das Rechtsprinzip der Gleichheit vor dem Gesetz.
Charles beerbt nicht nur Witwen und Waisen, er hat auch ein Vetorecht gegen Gesetze, die ihm und den Interessen seines Herzogtums in die Quere kommen. Seit 2005 mussten mindestens sechs Ministerien erst beim Prinzen um Erlaubnis bitten, ehe sie Gesetze auf den Weg bringen konnten, fand die Zeitung heraus. Gegen Gesetzesbrüche, etwa beim Planungs- oder Baurecht, ist er immun und kann nicht strafrechtlich belangt werden.
Das Herzogtum, in Großbritannien als „Duchy of Cornwall“ bekannt, ist ein unternehmens- und steuerrechtlich komplexes Konstrukt. Es ist kein Herzogtum im üblichen Sinne, sondern eher eine Art Vermögensverwaltung mit landwirtschaftlicher Ausrichtung. Sowohl die Verwalter selbst als auch die Regierung räumen ein, dass die Organisation privatwirtschaftlich aktiv ist. Charles weigert sich jedoch, Unternehmens- und Kapitalertragssteuern zu zahlen. Um nicht öffentlich am Pranger zu stehen, zahlt er freiwillig zumindest Einkommensteuer auf die Gewinne, zuletzt 19 Millionen Pfund.
Ob der Labour-Lord mit seinem Gesetzesvorhaben durchkommt, ist mehr als fraglich. Allein die Tatsache, dass er es wagt, spricht jedoch Bände. Erst vor ein paar Tagen hatte ein Ausschuss zur Verfassungsreform Charles und seine Mutter Elizabeth II. öffentlich für die Art und Weise gerügt, wie sich beide zu Gesetzesvorlagen verhalten. Das Verhalten „nährt Spekulationen, dass die Monarchie einen ihr nicht zustehenden Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt“, hieß es von dem Ausschuss. Der Parlamentsabgeordnete Austin Mitchell bezichtigte Charles' Vermögensverwalter William Nye kürzlich, er würde sich aus steuerlichen Überlegungen „drehen und wenden“.
Hinsichtlich seiner handschriftlichen Eingaben an die Regierung kämpft Charles weiter vor Gericht gegen den „Guardian“. Die Zeitung hatte in zweiter Instanz durchgeboxt, dass die Briefe - bekannt wegen der markanten Handschrift als „black spider memos“ - auf Verlangen veröffentlicht werden müssen. Die Sache liegt jetzt vor dem höchsten britischen Gericht, dem Supreme Court.
Charles' Aufstieg zum König rückt angesichts seiner bald 88 Jahre alten Mutter Elizabeth II. unweigerlich näher. Möglicherweise wollen die Parlamentarier noch rechtzeitig Nägel mit Köpfen machen, ehe die Privilegien auf die nächste Generation und damit auf Prinz William (31) übergehen. Das Königshaus hält sich mit Kommentaren vornehm zurück. Man werde zu „parlamentarischen Vorgängen“ keinerlei Kommentare abgeben, hieß es vom Hof.