Droht Burundi ein neuer Krieg?

Bujumbura (dpa) - Fünf Leichen liegen aufgereiht vor einer Lehmhütte in Burundis Hauptstadt Bujumbura. Einige sind halb nackt, als seien sie aus dem Bett gezerrt worden, kurz bevor die Kugeln sie trafen.

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Die Männer waren jung und stark - nun sind ihre leblosen Körper mit Blut und Staub bedeckt.

„Sie töten unsere Ehemänner und Söhne und behaupten, es gebe Frieden“, schreit eine Frau. Die Menschenmenge, die sich im Stadtteil Cibitoke versammelt hat, blickt ungläubig und aufgelöst auf die Toten. Eine Frau schluchzt, eine andere bricht in lautes Klagen aus. Die fünf Männer seien Oppositionelle und hätten Angriffe geplant, sagt die Polizei in dem kleinen ostafrikanischen Staat später. Deswegen seien sie getötet worden.

Vorfälle wie dieser sind in Bujumbura mittlerweile an der Tagesordnung. Die Situation eskalierte, als Mitte Dezember bei einem mutmaßlichen Rebellen-Angriff auf fünf Militärkasernen mindestens 87 Menschen getötet wurden. „Wir vernichten Euch wie Ungeziefer“, habe die Polizei zu einem der im Anschluss willkürlich festgenommenen Jugendlichen gesagt, so berichten Zeugen.

Immer öfter heißt es, der langjährige Bürgerkrieg, der erst vor einem Jahrzehnt zuende gegangen war, drohe sich zu wiederholen. Dabei waren 300 000 Menschen ums Leben gekommen, Tausende wurden bei Massakern zwischen den Volksgruppen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit hingemetzelt. „Wir sind bereits wieder im Krieg“, mahnt ein Politikwissenschaftler, der anonym bleiben möchte.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte zuletzt vor möglichen verheerenden Konsequenzen der Gewalt: Die ganze Region könne in dem Strudel mitgerissen werden, sagte er.

Ausgelöst wurde die Krise, als Präsident Pierre Nkurunziza im April angekündigt hatte, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren - denn dies war laut Verfassung nicht vorgesehen. Trotzdem ging der ehemalige Hutu-Rebellenführer aus der Wahl im Juli als Sieger hervor - die Opposition hatte die Abstimmung boykottiert. Seitdem liefern sich Nkurunzizas Gegner und Befürworter Gefechte.

Burundis Polizei will den Sturz des Präsidenten verhindern. Es heißt, die Jugendorganisation „Imbonerakure“ der Regierungspartei CNDD-FDD unterstütze sie dabei. Ihre Gegner sind ein voriger bewaffneter Flügel der Rebellenmiliz FNL und Mitglieder der oppositionellen MSD-Partei, wie es aus Geheimdienstkreisen heißt. Auf ihrer Seite kämpften viele Tutsis, Armee-Deserteure und benachbarte Bürgerwehren. Einige der Gruppen versuchten „eine richtiggehende Rebellion zu organisieren“, heißt es aus Geheimdienstkreisen.

Allein in Bujumbura gebe es 2000 Aufständische, schätzt ein politischer Analyst. Inzwischen hätten sie ihre Proteste und Angriffe aus der Hauptstadt auch auf andere Landesteile ausgeweitet. Mehr als 220 000 Menschen, darunter Politiker, Aktivisten und Journalisten, sind Schätzungen zufolge auf der Flucht.

Insgesamt haben die Ausschreitungen bereits 200 Todesopfer gefordert, wie die die Regierungspartei berichtet. Die Opposition schätzt die Zahl der Toten sogar auf 500.

Unter ihnen war der 57 Jahre alte Eloi Ndimira. Die Polizei und „Imbonerakure“ beschuldigten den gehbehinderten Mann, einer Demonstrantengruppe anzugehören. „Am nächsten Morgen fanden wir seinen Leichnam. Er hatte sechs Kugeln im Kopf, das Herz war ihm aus der Brust gerissen worden“, sagt ein Zeuge. Tote werden gefesselt aufgefunden, oft seien ihnen Finger abgeschnitten worden. Einige sollen bei lebendigen Leibe verbrannt worden sein. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden Häftlinge gefoltert.

Angefacht wird die Wut der Bevölkerung durch die Unzufriedenheit mit Nkurunzizas Regierungsstil. Seit über zehn Jahren ist er an der Macht - doch für das zu den ärmsten Ländern der Welt zählende Burundi hat er nur wenig getan. Mehr als 80 Prozent der Einwohner leben von umgerechnet knapp einem Euro am Tag.

Der politische Konflikt stürzt das Land nun immer tiefer in die Krise. Der Regierung sind durch die Gewalt Millionen an Steuer- und Hilfsgeldern entgangen. Zahlreiche Güter können nicht importiert werden, die Preise schießen in die Höhe. Die Marktverkäuferin Esperance Ndayisaba sagt traurig: „Meine Kunden sind tot, geflüchtet oder haben kein Geld mehr.“