Sorge vor größerem Konflikt Droht eine Eskalation zwischen Saudi-Arabien und Iran?
Riad (dpa) - Wer es gut mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman meint, nennt den 32-Jährigen einen Reformer. Als eigentlicher Herrscher der Monarchie dürfte es sein Verdienst sein, dass in dem islamisch-ultrakonservativen Königreich bald Frauen endlich Auto fahren dürfen.
Auch das mehr als 35 Jahre alte Kinoverbot im Land ließ er aufheben. Mohammed bin Salman, das ist vor allem für junge Saudis der Herrscher, der verkrustete Strukturen aufbricht.
Das andere Gesicht des Mohammed bin Salman sieht weniger freundlich aus. Der Kronprinz gilt als treibende Kraft hinter der Blockade gegen das Emirat Katar, die die Golfregion schwer belastet. Als Verteidigungsminister hat er auch die Militärintervention seines Landes im Nachbarland Jemen zu verantworten, der unzählige Zivilisten zum Opfer fallen. Mohammed bin Salman, das ist für Kritiker und Gegner der Kriegstreiber, der in der Region mit dem Feuer spielt.
Seitdem sein Vater und er in Riad 2015 an die Macht gekommen sind, hat die saudische Außenpolitik eine Wende vollzogen. Während das ölreiche Land früher vor allem versuchte, mit dem Scheckbuch Einfluss auszuüben, mischt es sich heute - wie im jemenitischen Bürgerkrieg - aktiv ein. Bestimmt wird die außenpolitische Doktrin des sunnitischen Königshauses dabei vor allem von einem Faktor: der Konkurrenz zum schiitischen Nachbarn Iran, den Riad als Erzfeind betrachtet.
Saudi-Arabien verfolgt aggressiv das Ziel, den wachsenden Einfluss des Irans in der arabischen Welt zurückzudrängen. Dass das Königreich dabei unter Mohammed bin Salman wenig zimperlich vorgeht, zeigt der Militäreinsatz im Jemen, wo saudische Jets die vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen bekämpfen. Angespornt werden dürfte „MbS“, wie der Kronprinz oft genannt wird, von der Anti-Iran-Politik des US-Präsidenten Donald Trump, der eng mit Riad verbunden ist.
Manche halten Mohammed bin Salman sogar für so ungestüm, dass sie in naher Zukunft eine weitere Eskalation des Konflikts mit dem Iran befürchten. In seiner Vorschau auf das nächste Jahr etwa warnt das in den USA ansässige Council on Foreign Relations, es könnte 2018 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem „bewaffneten Konflikt zwischen dem Iran und den USA oder einem ihrer Verbündeten“ kommen.
Nicht nur die religiösen Unterschiede trennen das sunnitische Saudi-Arabien und den schiitischen Iran, die als Anführer der beiden größten Strömungen des Islams gelten. Riad fürchtet vor allem Teherans Konkurrenz um die Macht im Nahen Osten, eine Angst, die durch das Atomabkommen mit dem Iran massiv zunahm. Das Herrscherhaus hat nicht zuletzt Sorge, die schiitische Minderheit im Osten des Landes könnte sich mit dem Iran verbünden und aufbegehren.
Tatsächlich ist es Teheran in den vergangenen Jahren nach und nach gelungen, seine Macht auszubauen. Über die Schiitenmiliz Hisbollah besitzt der Iran schon seit langem einen starken Arm im Libanon. Aber auch in Syrien sind von Teheran unterstützte bewaffnete Gruppen mittlerweile die bestimmende Kraft am Boden. Im Irak führen eng mit dem Iran verbundene Milizen schon seit langem ein Eigenleben.
Durch die Siege regierungstreuer Truppen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien konnte der Iran mittlerweile eine Landverbindung aufbauen, die vom Libanon bis ins eigene Land reicht. Über diese Strecke können Waffentransporte an die Hisbollah rollen.
Weil das außer von Saudi-Arabien auch von Israel als hochgefährlich eingestuft wird, kursieren schon seit längerem Gerüchte, die beiden eigentlich verfeindeten Staaten könnten hinter den Kulissen einen Pakt geschmiedet haben, um gemeinsam die Hisbollah zu bekämpfen. Die Krise um den angeblich von den Saudis zum Rückzug gedrängten libanesischen Ministerpräsidenten vor einigen Wochen zeigt, wie groß das Konfliktpotenzial in dem kleinen Land am Mittelmeer ist.
Auch im Jemen könnte Saudi-Arabien seinen Militäreinsatz verstärken, trotz oder gerade wegen der wenigen Erfolge, die die von Saudi-Arabien geführte Koalition dort seit Beginn des Einsatzes vor fast drei Jahren erreicht hat. Entscheidend zurückdrängen konnten Riad und seine Verbündeten die Huthi-Rebellen bislang nicht.
Wäre auch ein direkter Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran denkbar? Dafür spricht wenig. So groß in Riad die Angst vor dem Erzrivalen ist, so sehr wissen die Saudis, dass ihre Truppen den iranischen kaum gewachsen sein dürften.
Auch leisten könnte sich das sunnitische Königshaus eine Krieg gegen den schiitischen Erzfeind kaum. Der niedrige Ölpreis setzt das Land und seine Finanzen stark unter Druck. Der Kronprinz muss dringend den Umbau der Wirtschaft vorantreiben, um unabhängiger vom Öl zu werden - auch hier ist der Reformer Mohammed bin Salman gefragt.