Elfenbeinküste — ein Land am Abgrund
Machtkampf fordert immer mehr Todesopfer. Beide Seiten begehen Gräueltaten.
Abidjan. Noch beschuldigt niemand den neuen starken Mann der Elfenbeinküste, für das Massaker in Duékoué verantwortlich zu sein. Aber die bisher bekannten Fakten sprechen gegen Alassane Ouattara, der im blutigen Machtkampf kurz vor dem Sieg zu stehen scheint. Am Sonntag vor einer Woche hatten seine Truppen die Stadt Duékoué im Westen erobert. Wenige Tage später entdeckten dort Hilfsorganisationen Massengräber und viele Leichen auf den Straßen.
Die Caritas spricht von einem „Massaker“ mit 1000 Toten. Das Internationale Rote Kreuz (IRK) berichtet von einem „Horrorszenario“. Die UN-Kräfte haben mindestens 330 Tote gezählt. Kurz nachdem das IRK über das Blutbad berichtet hatte, gab es eine Erklärung des Ouattara-Lagers. Darin wird jede Verantwortung für das Massaker zurückgewiesen und betont, man habe an anderen Orten — wie Toulepleu, Blolequin und Guiglo — „zahlreiche Massengräber“ entdeckt. Die Täter seien die „Söldner und Milizen“ von Laurent Gbagbo, der seit seiner Niederlage bei den Präsidentschaftwahlen im November sein Amt nicht abgeben will.
Viele sehen in dem Massaker von Duékoué nicht nur ein schreckliches Kriegsverbrechen, sondern auch ein böses Omen für die Zeit auch nach dem Ende der Kampfhandlungen. Schon vor Monaten hatte der Botschafter der Elfenbeinküste bei der UN, Youssoufou Bamba, vor einem drohenden Völkermord gewarnt.
Zwischen Anhängern Gbagbos und Ouattarsa kommt es überall zu Gewaltausbrüchen. Zwar verlaufen die Konfliktlinien in der Elfenbeinküste nicht exakt an den Grenzen der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit. Dennoch scheint es auch ein Machtringen zwischen Moslems und Christen zu sein. Ouattara kommt aus dem jahrelang rebellischen Norden, vor allem bewohnt von Moslems. Gbagbo ist Christ, seine Anhänger kontrollieren den Süden mit der Wirtschaftsmetropole Abidjan.
Wie gewalttätig und blutig die Machtkämpfe in der Elfenbeinküste ausgetragen werden, zeigte der Bürgerkrieg zwischen 2002 und 2007. Damals spaltete sich der islamische Norden ab. Wie so oft in Afrika gehörten brutale Übergriffe auf Zivilisten, Vergewaltigungen und der Einsatz von Kindersoldaten dazu. Manche fürchten, dass die Kräfte aus dem Norden nun nach dem Wahlsieg und mit einem Präsidenten Ouattara eine blutige Abrechnung mit dem ehemaligen Gegner suchen könnten.