Erfinder der Neutronenbombe gestorben
Los Angeles (dpa) - Der Erfinder der Neutronenbombe, Samuel Cohen, ist tot. Der amerikanische Physiker starb nach Angaben seines Sohnes am Sonntag in seinem Haus in Kalifornien. Der 89-Jährige litt an Magenkrebs.
Noch vor wenigen Wochen beschrieb er in einem Interview der „New York Times“ die umstrittene Bombe als die „vernünftigste und moralischste Waffe, die je erfunden wurde“. Cohen: „Es ist die einzige nukleare Waffe der Geschichte, mit der Kriegsführung Sinn macht. Wenn der Krieg vorbei ist, ist die Welt noch intakt.“
Neutronenwaffen töten Menschen und andere Lebewesen durch die Zerstörung des zentralen Nervensystems, richten aber geringe Materialschäden an, da sie nicht viel Hitze und nur eine geringe Druckwelle entwickeln. Während die Wirkung herkömmlicher Atomwaffen auf der bei der Kernspaltung freigesetzten Druck- und Hitzewelle beruht, geben Neutronenwaffen den größten Teil ihrer Energie in Form harter Neutronenstrahlung ab. Der radioaktive Niederschlag der 1958 entwickelten Waffe ist gering: Etwa 24 Stunden nach der Explosion kann das betroffene Gebiet wieder gefahrlos betreten werden.
In der Zeit des Kalten Krieges wurde der Einsatz der Neutronenwaffen für einen etwaigen Kriegsfall in Europa in Erwägung gezogen, um gegen die sowjetische Überlegenheit an Panzern anzukommen. Dann müsste nicht zu Atomwaffen gegriffen werden, die weite Teile Europas verwüsten und radioaktiv verseuchen würden, argumentierten Militärs. Die Bombe zündet wenige hundert Meter über der Erde. Ihre tödliche Wirkung ist dann auf eine Fläche von rund einem Kilometer Durchmesser begrenzt. Gegner nannten die Bombe auch „Waffe der Kapitalisten“, weil sie Eigentum verschont.
US-Präsident Jimmy Carter hatte 1978 entschieden, die Neutronenwaffe nicht zu bauen. Doch das Pentagon arbeitete weiter daran. Präsident Ronald Reagan ordnete dann 1981 den Bau von 700 Sprengköpfen an. Er nannte die Bombe „die seit langer Zeit erste Waffe, die leicht und ökonomisch das Gleichgewicht der Macht verschieben kann“. Der Bestand wurde später aber unter Präsident George Bush vernichtet. Es wird aber vermutet, dass Abwandlungen der Bombe ihren Weg in die Arsenale Frankreichs, Israels und der Sowjetunion fanden, schreibt die „New York Times“.
Cohen wurde am 25. Januar 1921 in New York als Sohn jüdischer Einwanderer aus Österreich geboren. Er studierte Physik und arbeitete im Rahmen des Manhattan-Projekt am Bau der Atombombe „Fat Man“ mit, die im August 1945 über der japanischen Stadt Nagasaki abgeworfen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er an dem renommierten kalifornischen Forschungsinstitut Rand Corporation.