Humanitäre Katastrophe Erste Jemen-Gespräche seit Jahren

Sanaa/Genf (dpa) - Es ist mehr als zwei Jahre her, dass die Kontrahenten im Jemen die vorerst letzten Friedensgespräche im Bajan Palast in Kuwait platzen ließen.

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Damals bemühte sich der UN-Vermittler, die fruchtlosen Verhandlungen als Grundlage für künftige Treffen darzustellen. Im September 2018 aber ist das Einzige, was den im Bürgerkrieg zerrissenen Jemen eint, eine beispiellose humanitäre Katastrophe.

Der blutige Konflikt wütet, der politische Prozess ist massiv blockiert. Es wird großer Anstrengungen bei den für Donnerstag angekündigten Jemen-Gesprächen in der Schweiz bedürfen, um Regierung und Rebellen anzunähern. Der Erfolg von Genf, so sehen es Experten, besteht zunächst darin, dass das Treffen überhaupt stattfindet.

Für die Vereinten Nationen ist der Jemen „die schlimmste humanitäre Krise der Welt“. 22 Millionen Menschen, drei Viertel der Bevölkerung, brauchen humanitäre Hilfe, sieben Millionen haben nicht genug zu essen. Mehr als 28.000 Menschen sind seit Beginn des Bürgerkriegs nach UN-Schätzungen umgekommen, davon rund 10.000 Zivilisten, die im Bombenhagel starben.

Für diese Bombardements ist vor allem eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition verantwortlich. Sie unterstützt die international anerkannte jemenitische Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi und bombardiert Stellungen der Huthi-Rebellen. Die Aufständischen überrannten 2014 weite Teile des Landes. Bis heute kontrollieren sie den Norden und auch die Hauptstadt Sanaa.

Das sunnitisch regierte Saudi-Arabien sieht in den Huthis einen Vasallen seines schiitischen Erzfeindes Iran, der sich an seiner Südgrenze in Stellung bringen will. Umso aggressiver ließ das von Riad zusammengetrommelte arabische Bündnis den Konflikt ab 2015 eskalieren. Es wurden nicht nur Stellungen der Rebellen getroffen, sondern auch Hochzeiten, Trauerfeiern, Märkte oder Krankenhäuser.

Anfang August kamen bei dem Angriff der Allianz auf einen Schulbus mehr als 50 Menschen um, darunter 40 Schulkinder. Mehr als 2400 Kinder seien seit Beginn des Konflikts getötet worden, berichtet das UN-Kinderhilfswerk Unicef. „Wie viele Kinder müssen noch leiden oder sterben bevor die, die etwas tun können, diese schrecklichen Geschehnisse stoppen?“ fragte Unicef-Chefin Henrietta Fore entsetzt.

Ab Donnerstag geht es in Genf auch um die Linderung der humanitären Not, hier könnten eher Fortschritte erzielt werden. Genauso wie bei Verhandlungen um die Freilassung von Gefangenen. Einen Durchbruch aber erwartet nach Jahren Funkstille niemand. Noch ist auch unklar, ob die Delegationen von Angesicht zu Angesicht miteinander reden werden.

Es gehe darum, Vertrauen zwischen Regierung und Rebellen aufzubauen, sagte der jemenitische Außenminister Chaled al-Jamani der saudi-arabischen Zeitung „Asharq Al-Awsat“. Nur dann könne man dazu übergehen, an Friedenslösungen zu arbeiten. Der UN-Sondergesandte Martin Griffiths äußerte sich am Mittwoch ähnlich vorsichtig: Man führe Gespräche, keine Verhandlungen. „Unsere Währung heißt Hoffnung, die Menschen brauchen Hoffnung“.

Zuletzt war allerdings noch nicht einmal klar, ob die Gespräche überhaupt wie geplant mit beiden Seiten starten können, weil die Rebellen-Delegation noch nicht in der Schweiz eingetroffen war.

Die Versorgung des von Rebellen kontrollierten Nordens des Landes hängt dabei an einem seidenen Faden: Über den Hafen der Küstenstadt Hudaidah am Roten Meer läuft etwa 70 Prozent des Nachschubs. Die Koalition, allen voran die mit Bodentruppen bereitstehenden Vereinigten Arabischen Emirate, warten darauf, die Großstadt einzunehmen.

Sollte die Versorgung über den Seehafen zusammenbrechen, wäre das eine weitere Katastrophe für die Zivilisten und auch ein entscheidender Schlag für die Rebellen. Es ist diese Bedrohung, die die Huthis in Genf vielleicht doch zu Kompromissen bewegen könnte.

Und auch die Gegenseite spürt den Druck so stark wie lange nicht: Nach dem Schulbus-Massaker sorgte internationaler Druck offenbar dafür, dass das saudische Bündnis Fehler zugab. Die UN hatten den Einsatz des Bündnisses zuvor in die Nähe von Kriegsverbrechen gerückt. US-Verteidigungsminister James Mattis nannte die Unterstützung der verbündeten Allianz „nicht bedingungslos“. Auch Teile des US-Senats verlieren zusehends die Geduld.

Der Druck auf beide Konfliktparteien könnte in Genf zumindest zu kleinen Erfolgen führen. Für eine politische Lösung bräuchte es aber auch das Zurückstecken der Koalition. Das ist auch deswegen schwierig, weil der junge saudische Verteidigungsminister gegenüber den Huthis - und damit auch gegenüber dem Erzrivalen Iran - nicht schwach aussehen will. Der Minister heißt Mohammed bin Salman und ist auch Kronprinz und eigentlicher Herrscher Saudi-Arabiens. Für Kompromissbereitschaft ist er nicht bekannt.