Eskalation in Syrien: Assad verliert Rückhalt

Damaskus/Moskau (dpa) - Seit Monaten das gleiche Bild in Syrien: Demonstranten fordern den Sturz des Regimes, die Sicherheitskräfte schießen und foltern. Doch jetzt wendet sich das Blatt. Die Opposition kommt politisch voran.

Deserteure schließen sich zu Guerillatrupps zusammen.

Deserteure und Soldaten lieferten sich in der Nacht zum Dienstag heftige Gefechte in den Provinzen Deraa und Idlib. Insgesamt sollen bei Zusammenstößen zwischen Regimetruppen und Anhängern der Protestbewegung innerhalb von 24 Stunden mehr als 70 Menschen und seit Sonntag sogar 100 Menschen getötet worden sein. Am Dienstag zählten Aktivisten sechs neue Tote, darunter zwei Kinder.

Derweil wächst der Druck auf Präsident Baschar al-Assad. Die Türkei, deren Botschaft am Wochenende von Assad-Anhängern attackiert worden war, drohte mit einem Ende von Stromlieferungen. Der Vorsitzende des oppositionellen Nationalrates, Burhan Ghalioun, wurde offiziell in Moskau empfangen, wo Assads mächtigste Verbündete sitzen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte den syrischen Machthaber Baschar al-Assad auf, nicht weiter das eigene Volk zu töten.

Unter den Toten der vergangenen Stunden seien Zivilisten und Soldaten, meldeten die Oppositionellen. In der Stadt Homs seien die Leichen von 19 Menschen gefunden worden. Es sei zu vermuten, dass es sich um Bürger handele, die von der Schabiha-Miliz in den vergangenen zwei Tagen verschleppt worden seien, erklärten Menschenrechtler.

In der Nähe der Ortschaft Chirbat Ghazale sei es zu einem Gefecht zwischen Angehörigen der Armee und der Sicherheitskräfte auf der einen und Deserteuren auf der anderen Seite gekommen. Dabei seien mindestens 34 Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte sowie 12 Deserteure ums Leben gekommen, meldete die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete ebenfalls über das Gefecht. Sie meldete jedoch, zwei Angehörige der Sicherheitskräfte seien von „bewaffneten Terrorbanden“ getötet worden. Die Agentur sprach zudem von 15 Festgenommenen und „Anderen, die getötet wurden“. Berichte aus Syrien lassen sich wegen der Medienblockade der Regierung Assad oft nicht überprüfen.

Die Oppositionsbewegung Erklärung von Damaskus veröffentlichte einen Aufruf an die „schweigenden“ Gegner des Regimes. Diese sollten sich den „Revolutionären“ anschließen, damit der politischen Führung klar werde, wie gering ihr Rückhalt in der Bevölkerung sei.

Russland müsse den internationalen Druck auf Präsident Assad unterstützen, sagte der Vorsitzende des Übergangsrates nach einem Treffen mit Vize-Außenminister Michail Bogdanow. Assads Rücktritt sei unumgänglich für einen Dialog zwischen der Führung in Damaskus und der Opposition, sagte Ghalioun. Der Übergangsrat strebe keine militärische Hilfe von außen an. Ghalioun, der am Vortag auch von Bundesaußenminister Guido Westerwelle empfangen worden war, schloss aber auch eine Entwicklung wie in Libyen nicht aus.

Bogdanow erklärte jedoch nach Angaben der Agentur Interfax, ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus sei nicht nötig. Russland hat in Syrien eine Militärbasis und sieht in Assad einen Verbündeten.

Die syrische Führung ließ von den regimetreuen Medien des Landes am Dienstag verbreiten, in den vergangenen Tagen seien 1180 Gefangene freigelassen worden, die kein Blut vergossen hätten. Aktivisten bestätigten die Freilassung von 40 Gefangenen, darunter der seit sechs Jahren inhaftierte Dissident Kamal Labwani.