Essebsi will „Präsident aller Tunesier“ sein
Tunis (dpa) - Tunesiens erster demokratisch gewählter Staatschef Béji Caïd Essebsi will nach eigenen Worten „Präsident aller Tunesier“ sein und geht auf seine vielen Kritiker zu.
Im Staatsfernsehen versicherte der 88-Jährige laut lokalen Medienberichten vom Dienstag, dass seine Partei Nidaa Tounes nie alleine regieren werde. Auch erwäge er die Nominierung eines Ministerpräsidenten, der nicht aus diesem Bündnis kommt. Die Meinungs- und Pressefreiheit lobte er als Errungenschaften der Jasminrevolution, dabei könne es kein Zurück geben.
Essebsis Gegner befürchten, dass die Nidaa Tounes, die auch stärkste Kraft im Parlament ist, zu viel Macht bekommen könnte. In dem designierten Präsidenten sehen sie einen Vertreter des alten Regimes.
Der Politikveteran versicherte, Minister des 2011 gestürzten Machthabers Zine el Abidine Ben Ali würden bei der Suche nach einem Regierungschef keine Rolle spielen. Essebsi war schon unter dem Staatsgründer Habib Bourguiba im Kabinett tätig. In dem Interview sagte er auch, dass es vor den Wahlen Pläne für ein Attentat auf ihn gegeben habe. Daraufhin seien die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden.
Laut dem vorläufigem Ergebnis vom Montag kam Essebsi auf 55,68 Prozent der Stimmen. Sein Gegner und bisheriger Übergangspräsident Moncef Marzouki erhielt 44,32 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 60,11 Prozent. Das offizielle Endergebnis wird nach einer Beschwerdefrist Ende des Monats erwartet. Anfang des nächsten Jahres soll die neue Regierung gebildet werden. Die Wahl schließt einen nach dem Arabischen Frühling 2011 begonnenen Demokratisierungsprozess in dem Land ab.
Einer Meldung der nationalen Nachrichtenagentur zufolge kündigte Marzouki an, das Ergebnis der Abstimmung nicht anzufechten. Seine Anhänger rief Marzouki zur Ordnung auf. Nach der Verkündung des Ergebnisses hatten einige Unterstützer Marzoukis dagegen protestiert.
Tunesien ist das Geburtsland des Arabischen Frühlings. Nach dem Sturz Ben Alis begannen in Ägypten, Libyen, Syrien und anderen Ländern Massenproteste. Die Tunesier haben bislang als einzige den Weg in die Demokratie geschafft.