Feuerpause kann Kämpfe in Gaza nicht beenden
Gaza/Tel Aviv (dpa) - Nach einer Feuerpause zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas sind die Kämpfe im Gazastreifen wieder aufgeflammt. Israelische Vorstöße, die zwölfstündige humanitäre Waffenruhe vom Samstag um 24 Stunden zu verlängern, wies der militärischen Flügel der Hamas ab.
Militante Palästinenser schossen am Sonntag 30 Raketen auf Israel ab, wie die Armee mitteilte. Das israelische Militär antwortete mit Gegenschlägen.
Zwar kündigte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri eine eigene 24-stündige Waffenpause ab Sonntag 13.00 Uhr (MESZ) an. Offenbar hatte der politische Flügel der Organisation das feierliche Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan im Auge - das Fest Eid al-Fitr soll am Montag beginnen. Die Militanten ignorierten dies jedoch. Auch nach dem genannten Zeitpunkt flogen Geschosse nach Israel.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte dem US-Sender CNN, dass Israel weitere humanitäre Feuerpausen vorerst ablehne. „Die Hamas hat ihre eigene Waffenruhe verletzt“, fügte er hinzu.
Palästinensische Rettungskräfte berichteten am Sonntag von mindestens 13 Toten und mehr als 30 Verletzten durch neue Kampfhandlungen. Die Gesamtzahl der Toten im Gazastreifen stieg bis zum Sonntag auf 1062, mehr als 6000 Menschen wurden verletzt. Mehr als zwei Drittel der Opfer sind nach palästinensischen Angaben Zivilisten. Auf der israelischen Seite kamen seit dem 8. Juli 43 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.
Die Feuerpause am Samstag nutzten zahlreiche Menschen in Gaza dazu, um ihre Vorräte aufzustocken. Die Rettungskräfte erreichten erstmals seit Beginn der israelischen Bodenoffensive am 17. Juli bis dahin schwer umkämpfte „Todeszonen“, darunter in Gaza-Stadt das östliche Stadtviertel Sadschaija. Sie bargen mehr als 150 Leichen, wie die Rettungsdienste mitteilten.
Den Helfern und Reportern boten sich dort Bilder der Zerstörung und Verwüstung. Ganze Straßenzüge wurden durch Bombardements dem Erdboden gleichgemacht. Zurückkehrende Bewohner bahnten sich einen Weg durch Trümmerfelder und suchten nach Habseligkeiten. Einige begruben ihre toten Angehörigen auf freien Flächen zwischen den Häusern.
Außenminister aus sieben Staaten riefen bei einem kurzfristig anberaumten Nahost-Krisentreffen in Paris am Samstag beide Seiten auf, die Feuerpause zu verlängern. An dem Treffen nahmen die Ressortchefs aus den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, der Türkei und Katar teil, aber keine Vertreter Israels und der Palästinenser. „Ich habe den Eindruck, dass der dritte Gaza-Konflikt noch härter geführt wird als die beiden vorherigen von 2008 und 2012. Deshalb sind große Anstrengungen nötig“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) anschließend.
„Nachhaltig wird ein Waffenstillstand nur sein, wenn das einhergeht mit einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im Gazastreifen“, ergänzte er im Deutschlandfunk. „Und dazu muss Israel bereit sein.“
Israel wirft der Hamas die Planung eines verheerenden Anschlags auf israelische Zivilisten durch die Tunnel im Grenzgebiet vor. Geheimdienstminister Juval Steinitz bestätigte am Sonntag entsprechende Medienberichte.
Die Hamas soll demnach geplant haben, am jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana im September Hunderte bewaffneter Kämpfer durch mehrere Tunnel gleichzeitig auf israelisches Gebiet zu schicken. Sie sollten dort so viele Menschen wie möglich töten oder in den Gazastreifen verschleppen, hieß es. Die Informationen, die sich nicht unabhängig überprüfen ließen, basierten auf den Aussagen von Hamas-Mitgliedern, die die israelische Armee während der Offensive im Gazastreifen festgenommen habe.
In Tel Aviv protestierten Tausende gegen den Gaza-Krieg. Linke Parteien und Menschenrechtsorganisationen hatten dazu aufgerufen. Bei Protesten und Unruhen im Westjordanland kamen über das Wochenende mindestens neun Palästinenser ums Leben.
In Deutschland demonstrierten mehrere Tausend Menschen in mehreren Städten erneut gegen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen und für eine andauernde Waffenruhe. Die Teilnehmerzahlen waren teilweise deutlich geringer als erwartet. Antisemitische Parolen wie in vergangenen Tagen oder andere Zwischenfälle blieben aus. Kundgebungen gab es etwa in München, Frankfurt, Gießen, Hamburg und Kiel, am Sonntag ein religionsübergreifendes Friedensgebet in Berlin. Auch in Paris und London gingen Menschen auf die Straße.
Lufthansa, Air Berlin und Air France bieten inzwischen wieder Flüge nach Tel Aviv an. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch- palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen.