Fracking: Ändert die „Gaswende“ die politische Landkarte?

Fracking macht die USA immer unabhängiger von Importen aus Krisenländern.

Berlin. Philip D. Murphy (55) liefert seinen Zuhörern den passenden Begriff mit für das, was in seiner Heimat abläuft. Der US-Botschafter spricht von einer „Schiefergaswende“.

Sie habe das Potenzial, „die Weltkarte der Energieversorgung und Energienachfrage kurz- bis mittelfristig zu ändern“, betont er bei einem Vortrag vor Vertretern der deutschen Energiewirtschaft. Während Deutschland mit ausufernden Stromkosten durch seine so andere „Energiewende“ zu kämpfen hat, purzeln in den USA die Preise, teilweise um 50 Prozent.

Beim Fracking wird mit hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die Erde gepresst, um das Gestein aufzubrechen, damit das Gas entweichen kann (siehe Grafik). Kritiker befürchten eine Verseuchung des Grundwassers durch den Chemikalieneinsatz.

Die Internationale Energieagentur konstatierte in ihrem jüngsten Bericht eine dramatische Veränderung der globalen Energie-Landkarte. Die USA könnten schon in fünf Jahren der größte Öl- und Gasproduzent der Welt werden und sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren von Importen ganz unabhängig machen — auch die Ölschätze im Gestein sind enorm.

Der Bundesnachrichtendienst kommt in einer neuen Studie nach Angaben des „Spiegel“ zu dem Schluss, dass die außen- und sicherheitspolitische Freiheit der Regierung von US-Präsident Barack Obama (51) durch den heimischen Rohstoffboom fundamental steigt.

Das Drohpotenzial von Öllieferanten wie dem Iran könnte schwinden. Die USA müssten keine Kriege führen, um Zugriff auf fossile Rohstoffressourcen zu bekommen. Zudem könnten Milliarden Dollar jährlich gespart werden, wenn die Militärpräsenz im Nahen und Mittleren Osten reduziert würde — während Chinas Abhängigkeit von den fossilen Rohstoffquellen dieser Region stark steigen wird.

Ein Verlierer könnte auch Russlands Präsident Wladimir Putin (60) sein, dessen Macht auch auf den Gaseinnahmen seines Reiches gründet. Gleiches gilt für die aufstrebenden Scheichs im arabischen Raum.

Verlieren die USA nun ihr Interesse am Nahen und Mittleren Osten? Stormy-Annika Mildner von der Stiftung Wissenschaft und Politik glaubt nicht an große Veränderungen. „Die USA beziehen ohnehin nur noch etwa die Hälfte ihre Ölimporte aus Opec-Ländern.“ Zudem würden sowohl Europa als auch Asien von den Öl produzierenden Ländern des Nahen und Mittleren Ostens abhängig bleiben.