Frankreichs Linke klar vorn
Nach der ersten Runde darf Präsident Hollande auf eine starke Machtbasis im Parlament hoffen.
Paris. Einen Monat nach seinem Triumph über Nicolas Sarkozy darf Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande auf eine linke Mehrheit in der Nationalversammlung hoffen. Sogar eine absolute Mehrheit ist in Reichweite.
Nach der ersten Runde sagten führende Umfrageinstitute am Sonntagabend der Links-Allianz 287 bis 347 Sitze voraus. Die absolute Mehrheit in der 577 Sitze zählenden „Assemblée Nationale“ liegt bei 289 Mandaten.
Die linke Parlamentsmehrheit setzt sich den Prognosen zufolge zusammen aus den 270 bis 300 Sitzen von Hollandes „Parti Socialiste“ (PS, rund 35 Prozent), den acht bis 14 Mandaten der Grünen sowie 14 bis 20 Sitzen des linksradikalen „Front de Gauche“ unter Führung des linken Volkstribuns Jean-Luc Mélenchon. Die bürgerliche Rechte unter Führung der bisher regierenden gaullistischen UMP käme demnach auf höchstens 266 Sitze.
Auf Platz drei rangiert der rechtsextreme „Front National“ von Marine Le Pen mit rund 13,5 Prozent. Die Grünen liegen bei fünf Prozent, die Linksfront bei 6,8 Prozent.
„Das ist zwar keine rote Welle, aber eine Unterstützung für Francois Hollande“, kommentierte PS-Parteichefin Martine Aubry den Ausgang der ersten Runde. Die linke Allianz erreichte in der ersten Runde zusammen 47 Prozent, das entspricht einer einfachen Mehrheit.
Sorgenfrei wird das Regieren für Francois Hollande und seinen sozialistischen Premierminister Jean-Marc Ayrault dadurch allerdings nicht unbedingt. Denn die Gegensätze zwischen Hollandes PS und Mélenchons Linksfront sind so groß, dass in den nächsten fünf Jahren auch innerhalb des linken Lagers reichlich Streit programmiert wäre.
Mélenchon gilt als Europaskeptiker und entschiedener Gegner des EU-Stabilitätspaktes. Der Sparpolitik Hollandes erteilt er eine strikte Absage. Zwischen PS und Grünen indes herrscht — abgesehen vom Thema Kernkraft — weitgehende Übereinstimmung.
Endgültige Klarheit über die Machtverteilung in der neuen Nationalversammlung besteht erst nach der Stichwahl am kommenden Sonntag. Da nur wenige der Kandidaten in Runde eins die erforderliche absolute Mehrheit in ihrem Wahlkreis geschafft haben, muss ein zweiter Wahlgang für Klarheit sorgen. Dann reicht die einfache Mehrheit.
Das französische Mehrheitswahlrecht führt dazu, dass kleine Parteien wie der rechtsextreme „Front National“ oft nur wenige Parlamentssitze gewinnen.
So groß die Anspannung in den Parteizentralen war, so gering war das Interesse der Wahlberechtigten. Mehr als 40 Prozent der 46 Millionen Stimmberechtigten hatten an diesem Sonntag anderes zu tun, als ins Wahllokal zu gehen. Über 40 Prozent Wahlenthaltung — das ist ein Rekordwert in der Geschichte der Fünften Republik. Zum Vergleich: Bei der Präsidentenwahl vor gut einem Monat machten noch mehr als 81 Prozent ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel.