Friedensangebot von Syriens Vizepräsident - Opposition misstrauisch
Damaskus/Istanbul (dpa) - Der syrische Vizepräsident Faruk al-Scharaa hat der Opposition ein Friedensangebot unterbreitet, während die Regierungstruppen ihre Gegner mit Artillerieangriffen terrorisieren.
Al-Scharaa schlägt den Dissidenten die Bildung einer Übergangsregierung vor und weicht damit von der bisherigen Politik des Regimes ab, das die Oppositionellen als islamistische Terroristen und „Agenten der Golfstaaten“ darstellt.
Präsident Baschar al-Assad soll über Al-Scharaas Vorschlag nicht eben erfreut sein. Die staatlichen Medien berichteten am Montag nicht darüber. Der Politiker erklärte in einem am Montag veröffentlichten Interview der libanesischen Zeitung „Al-Akhbar“, im Syrien-Konflikt könne keine Seite militärisch gewinnen. Anstatt das Land weiter zu zerstören, sei es deshalb besser, eine Waffenruhe zu vereinbaren und Verhandlungen über eine Einheitsregierung aufzunehmen.
Al-Scharaa sagte außerdem: „Wir befinden uns nicht in einer Schlacht, in der es darum geht, eine Person oder ein Regime zu stützen.“ Beobachter fragen sich nun, ob er damit andeuten wollte, dass er und andere Funktionäre jetzt eine Lösung ohne Präsident Assad befürworten.
Die Opposition fragt sich zudem, ob der Vorstoß von Al-Scharaa wirklich seine persönliche Meinung widerspiegelt, oder ob er eventuell vom Regime vorgeschickt wurde, um zu sondieren, ob es jetzt - wo die Rebellen militärische Gewinne erzielt haben - noch Spielraum für eine politische Lösung gibt.
Walid al-Bunni, ein Veteran der syrischen Opposition, reagierte zögerlich. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa in Beirut, Al-Scharaas Vorschlag komme zu spät. „Außerdem können wir nicht akzeptieren, dass Leute, die das syrische Volk töten, an der Macht bleiben“, fügte er hinzu.
Die oppositionelle Website „All4Syria“ will indes von einem Informanten im Präsidentenpalast erfahren haben, dass sich Präsident Assad über Al-Scharaas Vorstoß fürchterlich aufgeregt haben soll.
Nach Angaben aus Oppositionskreisen nahm die Armee am Montag die südlichen Viertel von Damaskus mit Artillerie und Raketen unter Dauerbeschuss. Heftige Gefechte wurden unter anderem aus der Provinz Daraa gemeldet. Dort sollen zwei Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA) getötet worden sein. Insgesamt zählten die Aktivisten bis zum Nachmittag 74 Tote. Die meisten von ihnen seien in Damaskus umgekommen.
Die Regierung von Saudi-Arabien forderte die Konfliktparteien in Syrien auf, die Rechte der Minderheiten zu berücksichtigen, damit der Staat nicht zerfällt. Jeder müsse sich anstrengen, damit die „Einheit Syriens“ gewahrt bleibe, erklärte das Kabinett nach Angaben von Informationsminister Abdelasis Chodscha.