Islamisten lehnen ab Friedenskonferenz in Kabul: Angebote an die Taliban
Kabul (dpa) - Bei einer internationalen Friedenskonferenz in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat Präsident Aschraf Ghani den radikalislamischen Taliban eine Waffenruhe und andere weitreichende Zugeständnisse angeboten.
Falls sich die Taliban, die zu der Konferenz nicht eingeladen worden waren, auf einen Friedensprozess einließen, sollten sie auch als politische Gruppe anerkannt werden, sagte Ghani. Außerdem könne auf Wunsch auch die Verfassung überarbeitet werden.
Ghani bot den Taliban vor Delegierten aus 26 Ländern zudem afghanische Pässe an, ein Büro in Kabul, die Entlassung von Gefangenen und die Streichung von Sanktionen. Der Präsident bestand aber darauf, dass Wahlen abgehalten werden. Er forderte die Taliban außerdem auf, die Regierung in Kabul anzuerkennen.
Viele dieser Angebote sind nicht neu - Gefangene zum Beispiel wurden früher schon freigelassen. Ein Taliban-Büro in Kabul stand auch schon zur Debatte. Aber das Ausmaß der Zugeständnisse en bloc war eine Überraschung - vor allem angesichts der besonders grausamen Serie von Anschlägen der Taliban in Kabul zu Anfang des Jahres.
Im Januar hatten sie ein als Ambulanz getarntes Fahrzeug mit Sprengstoff gefüllt und sie ins Zentrum der Stadt geschickt. Bei der Detonation vor einem Krankenhaus und nahe einem besonders belebten Platz starben 105 Menschen. Bei einem 17-stündigen Taliban-Überfall auf ein Hotel kam auch eine deutsche Entwicklungshelferin ums Leben.
Danach hatte die afghanische Regierung bis vor kurzem noch ganz andere Töne angeschlagen. Nach dem zweiten Anschlag hatte Präsident Ghani gesagt, die Tür zu Friedensgesprächen sei für die Attentäter nun geschlossen. Sein oberster Sicherheitsberater soll nach afghanischen Medienberichten vergangene Woche in Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar, Verhandlungen zur Schließung des dortigen halboffiziellen Taliban-Büros begonnen haben.
Quellen aus dem Kreis der Organisatoren sagten der Deutschen Presse-Agentur, dass das Signal für einen „Frieden ohne Vorbehalte“ wohl auch auf Druck der internationalen Gemeinschaft zustandegekommen sei. Ihr sei - auch für die Steuerzahler daheim - wichtig, sagen westliche Diplomaten, dass die afghanische Regierung alles dafür tue, dass der Krieg in Afghanistan nicht in eine Endlosschleife rutscht.
Die USA hatten im August ihre neue, aggressive Afghanistan-Strategie vorgestellt, die keine Abzugsdatem mehr vorsieht, dafür aber wieder mehr Soldaten und Luftangriffe. Auf dieser Sicherheitsgarantie aber dürfe sich die afghanische Regierung nicht ausruhen, hieß es.
In seiner Auftaktrede sagte Ghani: „Anführer der Taliban und alle Mitglieder - die Entscheidung ist in Euren Händen. Akzeptiert den Frieden. Kommt an den Verhandlungstisch und lasst uns dieses Land gemeinsam aufbauen.“
Die Taliban lehnten das Angebot am Abend allerdings gleich ab. In der auf einer ihrer Webseiten veröffentlichten Stellungnahme hieß es, es gebe ja keinen Zweifel, dass Ghani eine ausgezeichnete, friedensorientierte Rede voller neuer Angebote gehalten habe. Sie habe aber einen wichtigen Punkt vermissen lassen: Die Taliban hätten immer gesagt, dass es Friedensgespräche nicht geben könne, solange ausländische Truppen im Land seien. Dazu habe Ghani kein Wort gesagt.
Da hätten die Taliban aber wohl noch nicht in die Abschlusserklärung der Konferenz geschaut, sagt Thomas Ruttig vom Rechercheinstitut Afghanistan Analysts Network (AAN) am Mittwochabend. In der Tat waren die Taliban mit ihrer Stellungnahme schneller als die Konferenzteilnehmer. In der Erklärung der 26 Staaten steht erstmals, dass es Verhandlungen auch zu „kontroversen Aspekte der internationalen Präsenz in Afghanistan“ geben könne. Gemeint sei der Abzug der westlichen Truppen, sagte Ruttig. „Das hebelt die Position der Taliban aus, die nur mit den USA und nicht mit Kabul reden wollen.“
Ruttig findet: Das Angebot von Ghani habe das Potenzial, Türen für Friedensgespräche öffnen. „Jetzt müssen die Taliban reagieren.“
Der deutsche Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Markus Potzel, schlug eine dritte Konferenz in Bonn vor, um den Friedensprozess in Afghanistan zu unterstützen. Das geht aus einem Tweet des deutschen Vize-Botschafters in Kabul, Andreas von Brandt, hervor. Die erste Konferenz fand Ende 2001 auf dem Petersberg in Königswinter statt, die zweite zehn Jahre später, Ende 2011, in Bonn.