Gabriel legt sich bei Kanada-Handelsabkommen mit EU an
Berlin/Brüssel/Ottawa (dpa) - Die Bundesregierung geht beim Kanada-Handelsabkommen auf Konfrontationskurs zu Brüssel und will Korrekturen in letzter Minute. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel verlangt von der EU-Kommission, Schutzklauseln für Konzerne im schon fertig ausgehandelten Ceta-Vertrag mit Kanada zu streichen.
„Es ist völlig klar, dass wir diese Investitionsschutz-Regeln ablehnen“, stellte der SPD-Chef im Bundestag klar. Es dürfe keine Paralleljustiz für ausländische Investoren geben.
Die Kommission zeigt Deutschland bislang aber die kalte Schulter. Brüssel will am Freitag auf einem EU-Kanada-Gipfel in Ottawa offiziell den Ceta-Abschluss verkünden.
Ceta steht für „Canada-EU Trade Agreement“ und soll den Handel zwischen Europa und Kanada ankurbeln. Dafür sollen Zölle gestrichen und gemeinsame Standards für Produkte und Dienstleistungen festgelegt werden. Ceta gilt als Blaupause für das Handelsabkommen TTIP („Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“). Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum zwischen Europa und den USA wäre der größte der Welt.
Bundespräsident Joachim Gauck regte zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Kanada eine stärkere Diskussion über Vor- und Nachteile der Globalisierung an. „Gestalten heißt beispielsweise auch, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche, soziale und Umweltstandards gefördert werden“, sagte Gauck bei einem Staatsbankett in Ottawa.
Grüne und Linke warnten im Bundestag erneut vor einer Aushöhlung der Demokratie, wenn ausländische Konzerne europäische Staaten vor Schiedsgerichten auf Schadenersatz verklagen könnten. So versucht etwa der schwedische Energiekonzern Vattenfall in den USA, wegen des deutschen Atomausstiegs Milliarden von Deutschland zu erhalten.
Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst kritisierte, EU und USA führten Geheimverhandlungen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Gabriel einen „Eiertanz“ zwischen SPD- und Wirtschaftsinteressen vor.
Der Vizekanzler hält einen Investitionsschutz zwischen demokratischen Rechtsstaaten zwar für überflüssig, will Ceta daran letztlich aber wohl nicht scheitern lassen: „Er ist viel zu unbedeutend, als dass wir deshalb das gesamte Abkommen jetzt schon in den Orkus werfen sollten.“ Millionen Arbeitnehmer in deutscher Industrie und Dienstleistungsbranche seien auf einen freien Welthandel angewiesen. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht klar hinter Ceta.
Die noch amtierende EU-Kommission will von Nachverhandlungen nichts wissen. „Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot“, sagte Handelskommissar Karel De Gucht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Gabriel zeigte sich von den Warnungen des scheidenden Kommissars unbeeindruckt: „Der ist auf dem Weg in die Rente.“
Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat aber bereits betont, die Handelsabkommen kritisch unter die Lupe zu nehmen: „Ich bin nicht bereit, europäische Standards im Bereich Sicherheit, Gesundheit, Soziales, Datenschutz oder unsere kulturelle Vielfalt auf dem Altar des Freihandels zu opfern.“
Die Bundesregierung will nun weitere EU-Länder für eine Korrektur des Ceta-Vertrags gewinnen. Umstritten zwischen Brüssel und Berlin ist auch, ob der rund 1500 Seiten starke Vertrag noch die Zustimmung des Bundestags und der übrigen 27 nationalen Parlamente braucht - oder ein Ja von EU-Parlament und Rat ausreicht. So ist völlig unklar, wann das Kanada-Abkommen in Kraft treten wird.
Anträge der Linken gegen Ceta und TTIP, die die jüngsten kritischen Beschlüsse der SPD aufgriffen, lehnte der Bundestag mit großer schwarz-roter Koalitionsmehrheit ab. Die Linkspartei betonte, der SPD-Konvent sei damit als „Luftnummer“ enttarnt worden. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach von einem unwürdigen „Kasperletheater“ der Linken.
Gabriel warf der Linkspartei vor, Deutschland abschotten zu wollen sowie die Bürger gegen Europa und freien Welthandel aufzuwiegeln: „Sie sind eine richtige Jobkiller-Partei in Deutschland.“ Hinter den Kulissen mache die Linkspartei gemeinsame Sache mit der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD).