Gewalt und Schikane bei Parlamentswahl in Ägypten
Kairo (dpa) - Gewalt und Manipulationsvorwürfe haben am Sonntag die Parlamentswahl in Ägypten überschattet. Wahlurnen wurden zerstört. Es gab Massenschlägereien und Verletzte. Die Abstimmung gilt als besonders wichtig, weil im nächsten Jahr die Präsidentschaftswahl ansteht.
Parteilose Kandidaten für das Amt des Präsidenten brauchen nach der neuen Verfassung die Zustimmung von mindestens 65 Parlamentsabgeordneten. Wahrscheinlich wird Präsident Husni Mubarak (82), der seit 29 Jahren an der Macht ist, erneut kandidieren.
Die Muslimbruderschaft, deren Kandidaten als Unabhängige antreten müssen, weil religiöse Parteien in Ägypten verboten sind, hatte bei der Wahl vor fünf Jahren mit 88 Abgeordneten fast 20 Prozent der Sitze belegt. Die Nationaldemokratische Partei (NDP) Mubaraks sicherte sich damals 73 Prozent (324 Sitze). Nach Angaben von Augenzeugen gingen am Wahltag an manchen Orten Anhänger der Muslimbruderschaft und der NPD aufeinander los.
Die Wahlbeteiligung war insgesamt mäßig. In ärmeren Vierteln war eine große Anzahl von Polizisten in Uniform und Zivil vor den Wahllokalen postiert. Internationale Wahlbeobachter waren nicht zugelassen. In einigen Bezirken verteilten Kandidaten Geld oder Geschenke.
Wahlberechtigt war etwas mehr als die Hälfte der rund 80 Millionen Ägypter. Sie wählen 508 Abgeordnete. Zehn weitere Abgeordnete ernennt der Präsident. Bei dieser Wahl sind erstmals 64 Sitze für Frauen reserviert. Mehrere liberale Politiker, darunter auch der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed al-Baradai, hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen. Die Ergebnisse sollen am Montagabend veröffentlicht werden. Es wird erwartet, dass die NDP ihre Zweidrittelmehrheit behält.
In einigen Bezirken kam es am Sonntag zu Zusammenstößen zwischen Wählern und Angehörigen der Sicherheitskräfte. Häufig beschwerten sich Kandidaten der Muslimbruderschaft, dass den von ihnen ausgewählten Beobachtern der Zugang zu den Wahllokalen verwehrt worden sei. In Port Said wurden 80 ihrer Anhänger festgenommen. In der Provinz Sohag kamen nach einem Schusswechsel drei Verletzte ins Krankenhaus. Die Wahlkommission berichtete, in drei Wahllokalen seien Urnen von Unterstützern eines Kandidaten zerstört worden.
Nach Angaben aus Sicherheitskreisen versuchten Wähler in der Ortschaft Samanud (Provinz Gharbija) ein Wahllokal zu stürmen. Sie bewarfen Polizisten mit Steinen. Die Muslimbruderschaft, die für eine Islamisierung des Staates mit friedlichen Mitteln eintritt, erklärte, ihre Anhänger seien vor zahlreichen Wahlbezirken geschlagen und vertrieben worden. Weibliche Schlägertrupps der Regierungspartei hätten die Unterstützerinnen ihrer Kandidatinnen angegriffen.
Lokale Menschenrechtsgruppen und Wahlbeobachter berichteten, in den Provinzen Dakahilija und Damietta seien Wahlzettel aufgetaucht, die vorab zugunsten von NDP-Kandidaten ausgefüllt worden seien. In vielen Bezirken traten mehrere Kandidaten der Regierungspartei gegeneinander an. Zum Teil machten sich Angehörige der sogenannten „Alten Garde“ der Partei und Mitglieder des Wirtschaftsreform-Flügels von Präsidentensohn Gamal Mubarak Konkurrenz.