Griechenland schaltet Staatssender ab: „Faule Fundamente“

Athen (dpa) - Plötzlich Funkstille beim griechischen Staatssender ERTZ: Die Regierung in Athen feuert alle 2656 Beschäftigten. Im Spätsommer soll es einen Neuanfang geben. Gewerkschaften riefen aus Protest zu Streiks auf.

Sie könnten auch den Flugverkehr innerhalb des Landes behindern.

Nach dem überraschenden Beschluss nahmen die Medien im Land sämtliche Nachrichten aus ihrem Programm. Ausnahmen erlaubte der Journalistenverband nur bei der Berichterstattung über die ERT-Schließung. Ansonsten liefen Shows, Filme oder Kochsendungen.

Die ERT soll Ende August nach einer Sanierung wieder den Sendebetrieb aufnehmen. Dies erklärte am Mittwoch der griechische Regierungssprecher Simos Kedikoglou in Athen. „Die ERT schließt nicht. Was schließt, ist ein in Schieflage und auf faule Fundamente gebautes "Bauwerk"“, sagte er. Die neue griechische Hörfunk- und Fernsehanstalt solle nur noch etwa 1200 Angestellte haben - statt bislang rund 2600 - und NERIT heißen. Die neue Institution werde unabhängig sein. „In Europa gibt es keine Journalisten als Staatsbedienstete“, sagte der Regierungssprecher.

Der Beschluss des konservativen Regierungschefs Antonis Samaras, die ERT zu schließen, führt zu Turbulenzen innerhalb der Regierungskoalition. Die Sozialisten und die Demokratische Linke erklärten, sie seien mit dieser radikalen Lösung nicht einverstanden.

Die griechische Presse vermutet hinter der Entscheidung von Samaras Druck der Troika der Geldgeber. Athen musste bis Ende Juni 2000 Staatsbedienstete entlassen. „Hinrichtung (der ERT) wegen der Troika“, kommentierte die linksliberale Zeitung „Eleftherotypia“.

Der Senderverbund ERT ist eine von Gebühren und Werbung finanzierte Institution, die vom Staat kontrolliert wird. Die Gebühren werden direkt mit der Elektrizitätsrechnung kassiert. Die jeweilige Regierung stellt die Direktion der ERT ein.

Auch über die ERT-Sender hinaus gab es am Mittwochmorgen seit 6.00 Uhr Ortszeit (7.00 MESZ) keine Radio- und TV-Nachrichten mehr. „Wir werden solange streiken, bis die Regierung ihren Beschluss zurücknimmt“, sagte der Präsident des Verbandes der Athener Zeitungsredakteure (ESIEA), Dimitris Trimis, der Nachrichtenagentur dpa. Wegen des Streiks wird es am Donnerstag in Griechenland auch keine Zeitungen geben.

In der Nacht zum Mittwoch wurde ein staatliches TV-Programm nach dem anderen abgeschaltet. Auch die öffentlichen Radiostationen stellten den Sendebetrieb ein. Zuvor hatte das griechische Finanzministerium erklärt, dass der staatliche Fernseh- und Hörfunksender ERT nicht mehr existiere. Es müsse einen Neustart geben. Eine neue Institution, die kompakter und wirtschaftlicher sein wird, soll gebildet werden. Vorbild sollten moderne öffentlich-rechtliche Anstalten in Europa sein.

Bisherige Angestellte des Staatsfernsehens blieben jedoch am Mittwoch in einem Studio des Zentralgebäudes und sendeten via Internet. Dabei kritisierten sie den Schließungsbeschluss scharf. Nach neuesten Angaben der Gewerkschaft der ERT-Angestellten verlieren 2656 Menschen ihre Arbeit. Auch einige Regionalradiosender in den Provinzen sendeten über provisorische Sendeanlagen ein „Protestprogramm“. Organisationen von Auslandsgriechen und die Kirche kritisierten die Schließung. Die ERT-Sender hatten zwar schwache Einschaltquoten im Inland, aber große Bedeutung für Auslandsgriechen.