Hackerangriffe und Drohungen: Sony sagt Nordkorea-Satire ab
New York (dpa) - Die beispiellose Hackerattacke auf Sony Pictures hat gravierende Folgen. Der Film „The Interview“, in dem ein nordkoreanischer Diktator getötete werden soll, kommt nicht in die US-Kinos.
Kritiker der Entscheidung sprechen von einem „verlorenen Cyberkrieg“.
Nach der Hackerattacke gegen Sony Pictures und Terrordrohungen gegen Kinos hat das Filmstudio die Nordkorea-Satire „The Interview“ zurückgezogen. Da die Mehrheit der Kinobetreiber den Film nicht ins Programm nehmen wolle, „haben wir beschlossen, den für den 25. Dezember geplanten Kinostart abzusagen“, zitierten US-Medien am Mittwochabend (Ortszeit) aus einer Mitteilung des Studios. In dem Film bekommen zwei US-Journalisten (Seth Rogen und James Franco) den Auftrag, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bei einem Interview zu töten.
Bei der beispiellosen Cyberattacke waren im November flächendeckend die Computersysteme von Sony Pictures angegriffen und etliche Daten gestohlen worden. US-Behörden vermuten dahinter eine Beteiligung Nordkoreas. Pjöngjang bestreitet die Vorwürfe.
„The Interview“ sollte am 25. Dezember in den USA starten. In Deutschland war der Start des Films mit Produktionskosten von rund 44 Millionen US-Dollar (etwa 35 Millionen Euro) für Februar geplant.
Bei mehreren US-Medien gingen allerdings Terrordrohungen gegen US-Kinos ein, falls diese die Komödie zeigen. „Erinnert euch an den 11. September 2001“, hieß es mit Verweis auf die Terroranschläge in New York, wie der „Hollywood Reporter“ aus den Schreiben zitierte. Weitere Details wurden nicht bekannt.
Zahlreiche Kino-Ketten teilten daraufhin mit, den Film nicht zu zeigen. Auch die für Donnerstag geplante New Yorker Premiere wurde Medien zufolge abgesagt. Sony Pictures habe den Kinos selbst überlassen, ob sie den Film bringen - ein beispielloses Vorgehen für Hollywood, wie das „Wall Street Journal“ berichtete.
„Wir respektieren und verstehen die Entscheidung unserer Partner und teilen natürlich auch ihr vorrangiges Interesse an der Sicherheit ihrer Angestellten und Kinobesucher“, begründete Sony die historische Entscheidung zum Rückzug des Films aus den Kinos. Zudem habe sich Sony auch gegen jede andere Form der Veröffentlichung des Films entschieden, sei es als Video auf privaten Kabelkanälen oder auf DVD, zitierte das Magazin „Variety“ eine Sony-Sprecherin.
Schauspieler zeigten sich enttäuscht von der Absage. „Ein trauriger Tag für die Kreativität“, schrieb Steve Carell bei Twitter. Sein Kollege Ben Stiller betonte: „Es ist wirklich schwer zu glauben, dass das die Antwort auf eine Bedrohung der freien Meinungsäußerung hier in Amerika ist.“ Talkmaster Jimmy Kimmel sprach von einem „unamerikanischen Akt der Feigheit, der terroristische Handlungen bestätigt und einen ungeheuerlichen Präzedenzfall schafft“.
Schauspieler Rob Lowe twitterte: „Wow. Alle haben klein beigegeben. Die Hacker haben gewonnen.“ Der konservative US-Politiker Newt Gingrich fand drastische Worte für die Entscheidung: „Amerika hat seinen ersten Cyberkrieg verloren“, schrieb er bei Twitter. Und Regisseur Judd Apatow fragte, wo das Nachgeben hinführen soll: „Wenn eine anonyme Person von etwas beleidigt werden sollte, was ein Coca-Cola-Manager gesagt hat - werden wir dann alle aufhören müssen, Coke zu trinken?“.
Washington werfe Nordkorea „eine zentrale Rolle“ bei dem Angriff auf die Daten von Sony vor, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter. Die US-Regierung wäge eine Reihe von Optionen ab, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Bernadette Meehan, der Zeitung. Nordkorea hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Ermittler seien sich „zu 99 Prozent sicher“, dass die Hacker im Auftrag der nordkoreanischen Regierung gearbeitet hätten, berichtete auch die „Washington Post“.
US-Präsident Barack Obama empfahl den Amerikanern, „ohne Angst ins Kino“ zu gehen. Vorerst seien die Drohungen nicht glaubwürdig, deutete er in einem Interview von ABC News an.