Historischer Sieg für Tusk in Polen
Warschau (dpa) - Zum ersten Mal seit dem Ende des Kommunismus in Polen ist eine Regierung für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) hat die Parlamentswahl vom Sonntag klar gewonnen.
Zulauf gibt es für eine neue Protestpartei.
Die proeuopäische PO des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk warb nach der Auszählung von 99 Prozent der Stimmen mit 39,2 Prozent der Stimmen und 206 der 460 Abgeordnetenmandate stärkste Partei im neuen Sejm. Die Wahlbeteiligung betrug nur knapp 49 Prozent.
Wie die Staatliche Wahlkommission am Montag weiter mitteilte, erhielt die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski 29,9 Prozent der Stimmen. Überraschend stark mit knapp zehn Prozent schnitt die neue Protestpartei Ruch Palikota ab. Staatspräsident Bronislaw Komorowski traf bereits am Nachmittag mit Tusk zusammen, um über die Regierungsbildung zu sprechen.
Tusk wollte nach dem Treffen nicht auf Fragen über eine künftige Koalition antworten. Zuvor hatte Komorowski vor Journalisten gesagt, es sei nur logisch, dass Tusk als Chef der stärksten Partei im neuen Parlament Kandidat für das Amt des Regierungschefs sei.
Für eine Mehrheit im Parlament ist Tusk allerdings auf einen Partner angewiesen. Die Bauernpartei PSL, bisher Tusks Koalitionspartner, kann nach Angaben der Wahlkommission 8,3 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Die PSL wollte sich erst nach Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses am Dienstag zur Koalitionsfrage äußern. Ein Treffen des PSL-Vorsitzenden und derzeitigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Waldemar Pawlak mit Tusk war noch am Montag vorgesehen.
Für Tusk ist es ein historischer Sieg: Als erster polnischer Regierungschef seit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 wurde der der 54-jährige damit für eine zweite Amtszeit bestätigt. Unter seiner Regierung hatte sich das deutsch-polnische Verhältnis in den vergangenen vier Jahren spürbar verbessert; seine Beziehung zu Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als freundschaftlich. „Die nächsten vier Jahre werden wir doppelt so viel arbeiten und doppelt so schnell handeln müssen“, sagte er am Wahlabend.
Tusk hatte im Wahlkampf seine guten Kontakte zu den EU-Partnern hervorgehoben. Nur unter seiner Regierung werde es gelingen, Milliarden Euro an EU-Fördermitteln für Polen zu erkämpfen, betonte der amtierende EU-Ratspräsident immer wieder.
Kaczynskis antideutsche Töne in den letzten Wahlkampftagen und seine Angriffe auf Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigten bei den Wählern offensichtlich keine Wirkung. Als kleine Sensation gilt das gute Abschneiden der Protestpartei Ruch Palikota, die mit der jüngst in Berlin erfolgreichen Piratenpartei verglichen wird. Sie schafft es mit knapp zehn Prozent der Stimmen auf Anhieb, zur drittstärksten Partei im neuen Parlament zu werden.
Die Bewegung hatte im Wahlkampf unter anderem für weniger staatliche Einmischung, Legalisierung weicher Drogen und kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und Internet geworben. Sie will sich auch gegen die Macht der katholischen Kirche und für die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften einsetzen und rüttelt damit an bisher geltenden gesellschaftlichen Tabus.
Großer Verlierer der Wahl ist das Linksbündnis SLD, das mit 8,2 Prozent der Stimmen etwa die Hälfte seiner bisherigen Wählerschaft einbüßte. Der SLD-Vorsitzende Grzegorz Napieralski kündigte am Montag als Konsequenz aus dem Wahldebakel seinen Rücktritt an.