Israel fordert Eingreifen in Syrien
Istanbul/Kairo (dpa) - Syrische Rebellen haben bei einer Offensive im Landesinneren angeblich erstmals eine Luftabwehrstellung der Regierungstruppen erobert. Angesichts der Zuspitzung der Lage werden die Rufe nach einem militärischen Eingreifen des Westens lauter.
Russland fordert dagegen eine Friedenskonferenz. Der Nationalrat (SNC), das vom Westen anerkannte Oppositionsbündnis, kürt derweil einen Vertreter der kurdischen Minderheit zum Vorsitzenden.
Der Nationalrat wählte am Samstagabend in Istanbul den im schwedischen Exil lebenden Abdel Baset Seida an seine Spitze. Er gilt als schwacher Kompromisskandidat. Dem bisherigen SNC-Vorsitzenden, dem in Paris lehrenden Professor Burhan Ghaliun, war vorgeworfen worden, den Kontakt zur Opposition im Land verloren zu haben. Auch sei es ihm nicht gelungen, die Fraktionen im SNC zu einen. Für Seida sprach nach Angaben von Oppositionellen, dass man ihm als Kurden wenig Chancen einräumt, nach einem Sturz des Präsidenten Baschar al-Assad eine Führungsrolle einzufordern. „Er wurde ausgewählt, weil er der Schwächste aller möglichen Kandidaten war“, hieß es.
Angesichts der fortdauernden Gewalt in Syrien sprach Israels Vize-Ministerpräsident Schaul Mofas von einem „Völkermord“: „In Syrien werden heute Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen“, sagte er dem Armeesender. Ähnlich wie in Libyen solle die internationale Gemeinschaft militärisch in dem Nachbarland eingreifen, um das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu stürzen.
Der britische Außenminister William Hague schloss ein militärisches Eingreifens des Westens nicht mehr völlig aus. „Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas ausschließen können“, sagte er am Sonntag in der BBC. „Aber es ist nicht so sehr wie in Libyen im vergangenen Jahr, wo wir erfolgreich interveniert haben, um Leben zu retten“, sagte er. „Es sieht mehr aus wie in Bosnien in den 90ern.“
Syrische Rebellen eroberten am Sonntag nach Angaben der Opposition eine Luftabwehrstellung der syrischen Streitkräfte. Dabei seien einige Soldaten des Luftabwehrbataillons in der Provinz Homs desertiert, berichtete das Syrische Beobachtungszentrum für Menschenrechte in London. Von unabhängiger Seite war eine Überprüfung des Berichts nicht möglich.
Syrische Truppen beschossen in der Provinz Homs am Sonntag erneut Stellungen der Rebellen. Dabei wurden der Opposition zufolge 19 Menschen getötet. Mit der Südprovinz Daraa griffen Regierungstruppen am Samstag eine Geburtsstätte des seit 16 Monaten andauernden Aufstandes an. Hier war von mindestens zwei Dutzend Toten die Rede.
Das „Schweigen der Großmächte“ zu Syrien widerspreche jeder menschlichen Vernunft, kritisierte Israels Vize-Regierungschef. „Die westliche Welt muss sich fragen, was muss noch in Syrien passieren, welche Horrorbilder müssen noch im Fernsehen gezeigt werden, damit sie sich entschließt, einzugreifen?“ Russland müsse sich im schlimmsten Fall den Vorwurf gefallen lassen, eine Mitschuld an den Massakern in Syrien zu tragen, weil es Damaskus mit Waffen versorge.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warf dem Iran und der libanesischen Miliz Hisbollah vor, sie unterstützten das syrische Regime bei seinen Gräueltaten. Hier zeige sich eine „Achse des Bösen“ in „all ihrer Hässlichkeit“, sagt er. Der israelische Staatspräsident Schimon Peres sagte im israelischen Rundfunk, die internationale Gemeinschaft tue nicht genug gegen das Blutvergießen in Syrien. „Das Morden wird von Tag zu Tag schlimmer und das ist ein unglaublicher Skandal“, sagte der Friedensnobelpreisträger. „Ich habe großen Respekt für die Aufständischen, die tagtäglich im Angesicht scharfen Feuers demonstrieren, und ich hoffe, dass sie siegen werden.“
Zur Beendigung des Blutvergießens setzt sich Russland für eine internationale Friedenskonferenz unter Einbeziehung Irans ein. Ziel müsse die Durchsetzung des Friedensplans des Syrien-Beauftragten Kofi Annan sein. „Wir sehen keine Alternative zu dem Plan“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Samstag in Moskau.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte vor den Folgen einer militärischen Intervention. „Es gibt keinen Königsweg. Wir wählen in einer für die ganze Region potenziell explosiven und schwierigen Lage zwischen Optionen, von denen nach gemeinsamer Einschätzung aller unserer Partner die politische bei weitem die beste ist“, sagte er der „Welt am Sonntag“.