Kritik an London Juncker äußert Zweifel an Brexit-Minister Davis

Brüssel (dpa) - Im zähen Ringen um den EU-Austritt Großbritanniens wird das Klima zunehmend giftig. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat intern Zweifel an Stabilität, Verlässlichkeit und Eifer des britischen Chefunterhändlers David Davis geäußert und fürchtet um den Erfolg der Brexit-Verhandlungen, wie jetzt bekannt wurde.

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EU-Unterhändler Michel Barnier wischte am Donnerstag Vorschläge aus London zum künftigen Verhältnis zwischen Irland und Nordirland vom Tisch und verlangte neue.

London und Brüssel verhandeln seit Juni über die Bedingungen des für 2019 geplanten EU-Austritts Großbritanniens, bisher aber ohne greifbare Ergebnisse. Erst vergangene Woche hatte Barnier öffentlich schnellere Fortschritte angemahnt.

Wie jetzt aus einem Protokoll der Sitzung der EU-Kommission vom 12. Juli bekannt wurde, äußerte er aber schon damals Sorge. So sagte Barnier, aus seiner Sicht sei die direkte Beteiligung an den Verhandlungen für Davis offenbar keine Priorität. Bei dieser Gelegenheit warf Juncker dem Protokoll zufolge die Frage nach „Stabilität und Verlässlichkeit des britischen Unterhändlers“ auf und vermerkte „seine offenkundig fehlende Beteiligung“.

Eine Sprecherin sagte am Donnerstag, die Äußerungen vom Juli seien nur ein Schlaglicht auf die damalige Situation. Seitdem habe sich viel getan.

Barnier trat aber kurz darauf mit neuer Kritik an London vor die Brüsseler Journalisten - unter anderem wegen der ungeklärten Frage, wie das Verhältnis zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland gestaltet werden soll. Das gilt in den Verhandlungen als eine der kompliziertesten Fragen, die zuerst geklärt werden sollen.

Nach dem Brexit wird die irische Insel, die derzeit wie ein gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne Grenzen funktioniert, von einer EU-Außengrenze durchzogen. Politisch heikel: Das Zusammenwachsen beider Teile der Insel war Grundlage des Friedensprozesses, der jahrzehntelange Gewalt zwischen nationalistischen Katholiken und pro-britischen Protestanten in Nordirland beendete. Die Prinzipien des Karfreitagabkommens von 1998 sollen nach Barniers Worten unbedingt erhalten bleiben und eine harte Grenze vermieden werden.

Großbritannien sieht das im Prinzip genauso. Die Regierung hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, die Probleme mit einem Zollabkommen zu lösen und auf Grenzkontrollen auch künftig zu verzichten. Barnier wies dies jedoch zurück und warf der britischen Regierung vor, damit schon Pflöcke für die künftigen Beziehungen zur EU insgesamt einrammen zu wollen.

„Großbritannien will, dass die EU an ihrer künftigen Außengrenze ihre Gesetze außer Kraft setzt ebenso wie die Zollunion und den Binnenmarkt“, sagte Barnier. „Großbritannien will das als eine Art Testlauf für die künftigen Zollbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Das wird nicht passieren.“

Das Brexit-Ministerium in London konterte mit einer kurzen Mitteilung. Darin hieß es, „einseitige Flexibilität“ Großbritanniens sei nicht ausreichend, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Barnier präsentierte am Donnerstag selbst ein Verhandlungspapier zu der irischen Frage, das aber ausdrücklich nur Grundsätze und keine praktischen Lösungen bieten soll. Diese Aufgabe obliege Großbritannien, da dessen geplanter EU-Austritt die Probleme erst schaffe, heißt es darin.

Die EU will die irische Frage - sowie den künftigen Status von EU-Bürgern in Großbritannien und die Schlussrechnung für das Vereinigte Königreich - zuerst klären. Eigentlich wollte man das bis Ende Oktober schaffen, doch äußert sich die EU-Seite zum Zeitplan inzwischen skeptisch. Erst in einer zweiten Phase will die EU über die künftigen Handels- und Sicherheitsbeziehungen sprechen

Im britischen Parlament begann am Donnerstag die zweite Lesung zum sogenannten Aufhebungsgesetz. Damit soll EU-Recht in britisches Recht übertragen werden, das in der Zeit nach dem Brexit nach britischem Ermessen verändert werden könnte. Die für Montag erwartete Abstimmung könnte für Premierministerin Theresa May zum ersten großen Test seit der schiefgelaufenen Neuwahl im Juni werden, bei der ihre Konservativen die Mehrheit im Parlament einbüßten.