Keine Vergeltung nach Südkoreas Schießübungen
Seoul/New York (dpa) - Militärische Machtdemonstration im Spannungsgebiet: Ungeachtet massiver nordkoreanischer Kriegsdrohungen hat Südkoreas Armee eine neue Schießübung nahe der umstrittenen Seegrenze veranstaltet.
Eineinhalb Stunden donnerte Artilleriefeuer über das Gelbe Meer. Die Übung fand auf der Insel Yonpyong statt. Dort waren vor einem Monat bei einem nordkoreanischen Artillerieangriff vier Südkoreaner getötet worden. Nach tagelangen Drohungen reagierte Nordkorea auf die Übung am Montag auffallend gelassen.
Das Militär habe es nicht für nötig erachtet, „auf jede verachtenswerte Provokation“ mit einem Gegenschlag zu antworten, hieß es in einer von den staatlichen Medien veröffentlichten Erklärung des obersten Kommandos der nordkoreanischen Volksarmee.
Nach etwa anderthalb Stunden war die Übung beendet, wie ein Sprecher des Generalstabs in Seoul mitteilte. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.
Der große Nachbar China mahnte beide Länder zu „äußerster Zurückhaltung“. Alle Beteiligten sollten verantwortungsbewusst handeln und jede Eskalation vermeiden, sagte Chinas Vizebotschafter bei den Vereinten Nationen, Wang Min, am Montag nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Der UN-Sicherheitsrat war noch zuvor mit seinen Bemühungen gescheitert, die Krise auf der koreanischen Halbinsel auf diplomatischem Wege zu entschärfen.
Unterdessen berichtete der US-Sender CNN, Nordkorea habe sich bereiterklärt, wieder internationale Atominspekteure in seinen umstrittenen Nuklearkomplex Yonpyong zulassen zu wollen. Außerdem wolle das kommunistische Land über den Verkauf von 12 000 atomaren Brennstäben ins Ausland verhandeln. Nordkorea habe diesen Schritten nach Diskussionen zwischen Regierungsbeamten in Pjöngjang und dem Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexico, Bill Richardson, zugestimmt.
Südkorea hatte vor Beginn der Schießübung die noch verbliebenen 280 Bewohner sowie Beamte und Journalisten auf Yonpyong in unterirdische Schutzräume geschickt. Auch auf vier anderen südkoreanischen Inseln entlang der Seegrenze vor der Westküste hockten die Bewohner in Bunkern. Nach Berichten südkoreanischer Medien hatte die Marine zehn Schiffe, darunter einen Zerstörer ins Gelbe Meer geschickt, um gegen eventuelle Provokationen aus Nordkorea gewappnet zu sein. Auch Kampfjets standen an der Westküste in Bereitschaft.
Angesichts der Übungen habe Nordkorea die Alarmbereitschaft seiner Truppen erhöht, sagte ein Militärsprecher in Seoul. „Doch unternahm es (Nordkorea) keine weiteren Provokationen.“ Südkoreas Streitkräfte würden aber ihre Bereitschaft aufrechterhalten, um die grenznahen Inseln zu verteidigen.
Die Spannungen auf der geteilten Halbinsel hatten sich nach dem Artillerieüberfall des nordkoreanischen Militärs auf Yonpyong am 23. November weiter verschärft. Nordkorea hatte mit noch „massiveren“ Militärschlägen gedroht, sollte Südkorea wie angekündigt, neue Übungen in Grenznähe durchführen. Nordkorea erkennt die Seegrenze im Gelben Meer nicht an, die zum Ende des Korea-Kriegs (1950-53) einseitig von einem UN-Kommando gezogen wurde. Südkorea hatte das jüngste Schießtraining als Teil von Routineübungen angekündigt.
Der UN-Sicherheitsrat in New York konnte sich bei stundenlangen Verhandlungen nicht auf den Wortlaut eines Appells an Seoul und Pjöngjang verständigen, trotz der Spannungen Ruhe und Besonnenheit zu bewahren. Streitpunkt war nach Angaben von Diplomaten die Frage, ob Nordkorea in diesem Rahmen für seinen Artillerieangriff auf Südkorea am 23. November verurteilt werden sollte oder nicht. Russland und vor allem China widersetzten sich nach Auskunft aus diplomatischen Kreisen einer einseitigen Schelte.
CNN berichtete, dass Nordkorea auch einen Vorschlag von Richardson erwägen wolle, eine Militärkommission aus Vertretern der USA, Nordkoreas und Südkorea einzurichten. Auch eine getrennte „Hotline“, eine Art Rotes Telefon zwischen den Streitkräften beider koreanischer Staaten, könne erörtert werden. Richardson hatte in den vergangenen Tagen bei inoffiziellen Bemühungen um eine Entspannung des Konflikts auf der Halbinsel auch Pjöngjang besucht.
Die Regierung in Seoul reagierte zurückhaltend auf den CNN- Bericht. Man müsse erst abwarten, welche Absichten Nordkorea verfolgen wolle und wie weit das Land den Inspekteuren Zugang zu seinen Atomanlagen gewährt wolle, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Seoul. Nordkorea hatte internationale Inspekteure im April 2009 des Landes verwiesen.