„Keiner weiß, was morgen wird“
Ein deutscher Pfarrer auf der Krim berichtet von Ängsten und Hoffnungen der Menschen vor Ort.
Simferopol. Seit gestern ist die Hauptverkehrsachse in Simferopol, der Regionalhauptstadt der Krim, wieder für den Verkehr freigegeben. Auch der öffentliche Nahverkehr rollt wieder. „Das hat die Situation etwas entspannt. Aber trotzdem versuchen viele, zu Hause zu bleiben und sich unauffällig zu verhalten. Keiner weiß was morgen wird“, sagt Markus Göring.
Der 34-Jährige ist als evangelisch-lutherischer Pfarrer für sieben deutsche Gemeinden auf der Krim zuständig. Er kam 2012 auf die ukrainische Halbinsel und ist seitdem Ansprechpartner für die deutsche Minderheit, zu der etwa 3000 Krimdeutsche zählen.
Göring, der eigentlich aus Nürnberg kommt, erklärt: „Das Meinungsbild ist vielschichtig. Viele hier begrüßen, dass sich Russland eingemischt hat.“ Das habe mit der starken pro-russischen Orientierung auf der Krim zu tun. „Es wird russisch gesprochen und russisches Fernsehen geguckt.“
Das habe aber auch damit zu tun, dass viele Krim-Bürger die Umstürze in der Hauptstadt Kiew mit großer Sorge und Unverständnis betrachteten. „Für das politische Freiheitsstreben auf die Straße zu gehen — das ist den Leuten hier fremd“, erklärt der Pfarrer und ergänzt: „Die Menschen haben auch Angst, von Kiew nicht richtig vertreten zu werden. In der neuen Regierung gibt es keine pro-russischen Stimmen. Und Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko hat nur einmal eine kleine Rede für die Krim gehalten. Das ist den Leuten hier zu wenig.“
Gleichzeitig würde das russische Fernsehen mit seiner gezielten Propaganda Ängste schüren, dass „die bösen Menschen der Maidan-Bewegung“ aus Kiew auf die Krim kämen, um dort ebenfalls für Unruhe zu sorgen.
Pastor Markus Göring hofft, dass die Auseinandersetzungen auf der Krim das Miteinander der vielen verschiedenen Volksgruppen nicht beschädigen. „Die Menschen fürchten sich vor einer militärischen Eskalation, aber fast noch mehr vor Zusammenstößen zwischen Russen und Tataren.“ Göring erklärt: „Manche fanden die Proteste der Tataren vor dem Regionalparlament bedrohlicher, als dessen Belagerung durch pro-russische Kräfte.“
Noch in diesem Monat sollen die Bewohner der Krim über eine Abspaltung von der Ukraine abstimmen. Wie das Referendum ausgehen wird? „Darüber kann ich nicht spekulieren. Aber der Ausgang des Referendums wird maßgeblich davon abhängen, wie sich Kiew jetzt verhält“, schätzt Göring.
Der Pfarrer, der noch etwa ein Jahr auf der Krim bleibt bis er in seine bayerische Heimatgemeinde zurückkehrt, wird bis dahin sicher noch viele Gespräche mit besorgten Gemeindemitgliedern führen. „Die Menschen kommen sehr emotional beladen zu mir.“