Kiew fordert Separatisten zum Aufgeben auf

Kiew/Brüssel/Moskau (dpa) - Aufforderung zur Kapitulation: Der ukrainische Verteidigungsminister Waleri Geletej hat die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Nachdruck zum Aufgeben aufgerufen.

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Es werde keine neue Feuerpause oder auch Verhandlungen geben, bevor nicht die „Terroristen“ alle ihre Waffen niedergelegt hätten, sagte Geletej nach Angaben ukrainischer Medien am Dienstag in der Konfliktregion. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf Kiew deswegen Wortbruch vor. Eine Kapitulation der Separatisten sei bei Krisengesprächen nie diskutiert worden, sagte Lawrow am Dienstag in Ljubljana.

Präsident Petro Poroschenko hatte zuvor bekräftigt, die umkämpften Gebiete Donezk und Lugansk von den Aufständischen befreien zu wollen. Der Staatschef wechselte überraschend den Leiter der umstrittenen „Anti-Terror-Operation“ aus, die nun von Wassili Grizak geführt wird. Geplant ist nach offiziellen Angaben, die von Separatisten belagerten Großstädte Donezk und Lugansk mit einer Blockade zu belegen.

Poroschenko habe ihm versprochen, Donezk nicht zu bombardieren, sagte der Bürgermeister der Millionenmetropole, Alexander Lukjantschenko. „Die Armee hat andere Orte mit Luftschlägen und schwerem Artilleriebeschuss von Separatisten befreit. In unserer dicht besiedelten Stadt würde dies zu einer Katastrophe führen“, sagte Lukjantschenko. Donezk ist die fünftgrößte Stadt der Ukraine mit modernem Zentrum. 2012 war sie ein Austragungsort der Fußball-EM.

Lawrow betonte, der einzige Weg zu einer Lösung der Krise sei eine Feuerpause und ein Treffen der Konfliktparteien. Die Führung in Kiew warf den prorussischen Separatisten unterdessen eine „totale Verweigerungshaltung“ vor. Die Aufständischen hätten in den vergangenen Tagen auf kein Gesprächsangebot reagiert, sagte der ukrainische Vizeaußenminister Daniil Lubkowski. Der nächste Impuls müsse nun von den militanten Gruppen kommen. Der Separatistenführer Waleri Bolotow warf der Regierung hingegen „Erpressung“ vor.

Die prorussischen Aufständischen in Lugansk teilten mit, einen Kampfjet des Typs Suchoi Su-25 erbeutet sowie ein Flugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 und mehrere Panzerfahrzeuge der Regierungstruppen zerstört zu haben. Nach Behördenangaben wurde in Lugansk ein Fahrzeug mit Zivilisten von Geschossen getroffen. Dabei starben mindestens zwei Menschen, vier weitere wurden verletzt.

Auch außerhalb der beiden Separatistenhochburgen bleibt die Lage in der Ostukraine gespannt. Nachdem zuletzt das Militär Erfolge feiern konnte, eroberten erstmals wieder die Aufständischen einen Ort in der krisengeschüttelten Region. Etwa 100 Kämpfer hätten in der Nacht die Kommune Popasnaja besetzt, teilten örtliche Medien mit.

Verteidigungsminister Geletej bestätigte, dass die Aufständischen weiter aktiv seien. Zahlreiche Regierungskräfte seien in befreiten Orten wie Slawjansk und Kramatorsk gebunden, da Spezialisten verminte Gebäude und Straßen säubern müssten. „In 24-Stunden-Schicht arbeiten wir daran, diese Geschosse unschädlich zu machen“, sagte Geletej.

Wegen der laufenden „Anti-Terror-Operation“ in der Ostukraine ordneten die Behörden in Kiew ein Flugverbot über dem Krisengebiet an. Vorerst dürften über den Großstädten Donezk und Lugansk keine zivilen Maschinen tiefer fliegen als 7900 Meter, teilte die Flugaufsichtsbehörde mit.

EU-Kommissar Stefan Füle teilte unterdessen mit, dass die finanziell angeschlagene Ukraine nur mit weiteren EU-Hilfen rechnen könne, wenn sie ihre Reformpolitik vorantreibe. „Wir ermutigen die Regierung, weitere Schritte zur Verfassungsreform, zur Dezentralisierung und zur Reform des Justizsystems zu unternehmen“, sagte Füle in Brüssel bei einer Koordinierungskonferenz internationaler Geldgeber. Er mahnte vor allem den Kampf gegen Korruption und den Schutz der Rechte der russischsprachigen Minderheit an.

US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege François Hollande forderten Kremlchef Wladimir Putin zu mehr Druck auf die Separatisten in der Ukraine auf, um diese zum Dialog mit Kiew zu bewegen. Der Westen hatte Moskau immer wieder mit Sanktionen gedroht, sollte Russland nicht mehr zur Deeskalation in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik beitragen.

Im Konflikt um offene Gasrechnungen stellte Russland der Ukraine weitere 838 Millionen US-Dollar (rund 616 Mio Euro) in Rechnung. Für die vom 1. bis 16. Juni erhaltenen Lieferungen habe die Führung in Kiew wieder nicht bezahlt, teilte der Gazprom-Konzern in Moskau mit. Die Gesamtschulden seien damit auf rund 5,3 Milliarden US-Dollar (etwa 3,9 Mrd Euro) gestiegen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller.