Merkel sucht Gleichklang von Wirtschaft und Menschenrechten
Peking (dpa) - Milliardenverträge und Menschenrechte: Der Ausbau der Wirtschaftskooperation mit China und die Entwicklung einer freieren Gesellschaft gehören für Kanzlerin Angela Merkel „ganz eng“ zusammen.
Bei ihrem siebten China-Besuch mahnte sie nach Gesprächen mit Regierungschef Li Keqiang am Montag in Peking mehr Marktzugang, Transparenz und Gleichberechtigung für deutsche Unternehmen an. Die geplante „Innovationspartnerschaft“ mit China müsse über Forschung und Technik hinausgehen und die Entwicklung der Zivilgesellschaft und des Rechtsstaats einschließen.
Auch Staats- und Parteichef Xi Jinping empfing Merkel, die am Vortag die Wirtschaftsmetropole Chengdu besucht hatte und bis Dienstag bleibt. Der Besuch wurde überschattet von den Spionagevorwürfen gegen die USA, aber auch von Kritik an chinesischen Hackerangriffen auf deutsche Unternehmen. Chinas Premier betonte, seine Regierung lehne Cyber-Attacken, um Geschäftsgeheimnisse auszuspionieren, „entschieden“ ab.
In Anwesenheit der Kanzlerin und des Premiers unterzeichneten beide Seiten in der Großen Halle des Volkes sechs Wirtschaftsabkommen mit einem Volumen von mehr als zwei Milliarden Euro. Volkswagen baut zwei neue Werke auf seinem wichtigsten Absatzmarkt für allein zwei Milliarden Euro. Die Airbusgruppe verkauft für 300 Millionen Euro 100 Helikopter für „zivile Zwecke“, wie Delegationskreise hervorhoben. Auch baut die Lufthansa ihre bestehende Kooperation mit Air China schon mit dem neuen Winterflugplan deutlich aus.
Chinas Regierungschef verteidigte sich gegen Kritik an Menschenrechtsverstößen und warb um Verständnis. Im Zuge der Reformen werde sein Land auch den Rechtsstaat fördern. Er stimmte einem Dialog über diese Problembereiche „im Geiste von Respekt und Gleichberechtigung“ zu. Li beschrieb die Entwicklung Chinas als „unausgewogen, unkoordiniert und nicht nachhaltig“.
„Wir müssen noch harte Nüsse knacken. Wenn es keine Schwierigkeiten gäbe, bräuchten wir auch keine Reformen.“ Er verwies darauf, dass China Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt habe. Noch heute lebten 200 Millionen Chinesen nach UN-Angaben unter der Armutsgrenze. „Es liegt noch ein sehr langer Weg vor uns“, sagte der Premier.
Merkel äußerte die Hoffnung, dass vor den geplanten dritten Regierungskonsultationen im Oktober in Berlin noch jeweils eine Gesprächsrunde über Menschenrechte und über Rechtsstaat stattfinden werden. „Wir haben insofern noch einmal deutlich gemacht, dass für uns erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung und Menschenrechts- und Zivilgesellschaftsentwicklung ganz eng zusammengehören.“
Konkrete Fälle wie den Wunsch des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, seine bis zum 13. Juli geöffnete Ausstellung in Berlin zu besuchen, sprach sie nicht öffentlich an. Ai Weiwei wird seit seiner Inhaftierung 2011 sein Pass nicht zurückgegeben und damit an der Ausreise gehindert. Delegationskreise hoben hervor, dass Merkel solche Themen „unter vier Augen“ mit Li ansprechen wollte. Sie traf sich auch mit - in Berlin preisgekrönten - chinesischen Filmschaffenden, die mit ihrer Arbeit an die Grenzen der chinesischen Zensur stoßen.
Beide Regierungschefs nahmen zudem an der ersten Sitzung des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses teil. Das Gremium hat beratende Funktion und soll Probleme in den wirtschaftlichen Beziehungen frühzeitig aufgreifen. Die Kanzlerin berichtete Premier Li ferner über die Entwicklung in der Europäischen Union nach der jüngsten Wahl und bedankte sich für die Unterstützung Chinas in der Schuldenkrise.