Kobane: IS drängt Kurden immer weiter zurück
Kobane/Ankara (dpa) - Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) drängt die sich verzweifelt wehrenden Kurden in der Grenzstadt Kobane immer weiter in die Enge. Trotz erbitterter Gegenwehr und US-Luftangriffen konnten die Dschihadisten im Häuserkampf weitere Viertel der Stadt erobern.
Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, die als grausam bekannten IS-Milizen kontrollierten bereits ein Drittel der Ortschaft. Ein dpa-Korrespondent sagte, auch in unmittelbarer Nähe zur türkischen Grenze gebe es heftige Gefechte. Die Regierung in Ankara sprach sich dennoch gegen einen Alleingang mit Bodentruppen gegen die Extremisten im Nachbarland aus. Syriens Regierung warnte die internationale Anti-IS-Koalition derweil vor der Einrichtung einer Pufferzone.
Die USA setzten ihre Luftschläge in Syrien mit Kampfjets, Bombern und Drohnen fort. Südlich von Kobane wurden dabei ein IS-Trainingslager beschädigt und ein Gebäude sowie zwei Fahrzeuge zerstört, teilte das Zentralkommando in Tampa (Florida) mit. Zudem seien eine kleine und eine große IS-Einheit getroffen worden.
Dass der Kampf um Kobane für die USA jedoch nicht oberste Priorität hat, ließ zuletzt die Sprecherin im US-Außenministerium, Jen Psaki, durchblicken. Es werde noch andere Dörfer und Städte in Syrien geben, die ebenfalls bedroht würden, hatte sie am Mittwoch gesagt. „Wir müssen uns hier auf unsere strategischen Komponenten konzentrieren - das sind Kommando- und Kontrollzentren, das sind Ölraffinerien, das sind andere Teile, bei denen wir in den vergangenen Wochen unsere Präzisionsschläge gemacht haben“, betonte Psaki. Pentagonsprecher John Kirby versicherte jedoch: „Wir tun aus der Luft alles, was wir können, um den Schwung des IS gegen diese Stadt aufzuhalten.“. Luftangriffe allein würden Kobane aber nicht retten können, räumte auch er ein.
Die Türkei, die Panzerverbände in Schuss- und Sichtweite von Kobane an ihrer Südgrenze stationiert hat, ist jedoch trotz des drohenden Falls von Kobane nicht bereit, allein gegen die Terroristen vorzugehen. „Dass nur die Türkei ganz alleine eine Bodenoperation unternimmt, ist kein realistischer Ansatz“, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu nach einem Treffen mit dem neuen Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Ankara. Das internationale Bündnis gegen den IS müsse sich auf eine gemeinsame umfassende Strategie einigen.
Stoltenberg sagte, die Türkei sei ein wichtiger Nato-Partner. Der IS sei nicht nur eine Bedrohung für Syrien und den Irak, sondern für die Region und für Nato-Staaten. „Die Nato steht bereit, alle Alliierten dabei zu unterstützen, ihre Sicherheit zu verteidigen.“ Er verwies dabei auf die Patriot-Raketen auch der Bundeswehr in der Türkei zum Schutz gegen Angriffe aus Syrien. „Die Nato spielt ihre Rolle.“
Cavusoglu wies Vorwürfe zurück, die Türkei engagiere sich nicht ausreichend im Kampf gegen den IS. „Wir sind nie zurückhaltend gewesen“, sagte er. Er erneuerte die türkische Forderung nach einer Schutz- und einer Flugverbotszone in Syrien. Stoltenberg sagte, die Errichtung solcher Zonen würden in der Nato derzeit nicht diskutiert.
Cavusoglu betonte, Teil der internationalen Strategie gegen den IS müsse der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sein. Solange das Assad-Regime an der Macht sei, würden Blutvergießen und Massaker in Syrien andauern. Er forderte mehr Unterstützung für die moderaten Rebellen der Freien Syrischen Armee. Bei Protesten von Kurden in der Türkei gegen die abwartende Haltung der Regierung starben seit Dienstag nach neuen Angaben mindestens 24 Menschen.
In München forderten etwa 15 kurdische Jugendliche und deutsche Unterstützer mit einem Sitzstreik in der CSU-Zentrale ein härteres Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft gegen die Terrormiliz. Nach rund eineinhalb Stunden verließen sie das Gebäude und riefen „Stoppt das Massaker in Kurdistan“.
Die Militärchefs der Koalition zum Kampf gegen IS wollen nun bei einem Treffen auf höchster Ebene über ihre Strategie im Irak und in Syrien diskutieren. Dazu habe US-Generalstabschef Martin Dempsey mehr als 20 seiner Kollegen eingeladen, sagte ein Angehöriger des US-Militärs der Nachrichtenagentur dpa. Die Gespräche sollen kommenden Montag mit einem gemeinsamen Abendessen beginnen und am Dienstag am Militärstützpunkts Andrews bei Washington fortgesetzt werden. Es sei das erste Treffen auf dieser Ebene seit Beginn der Luftschläge im Irak Anfang August, sagte der Militärangehörige. Um den Fall Kobanes mit einem Strategiewechsel zu verhindern, könnte es bei dem Treffen allerdings schon zu spät sein.
Syriens Regierung wandte sich mit scharfen Worten gegen die Einrichtung einer Pufferzone. Vize-Außenminister Faisal al-Mekdad kritisierte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana dabei vor allem Frankreich, nachdem Paris die Idee Ankaras unterstützt hat. Damaskus wertet das nach Sana-Angaben als Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität Syriens.
Sollten die IS-Dschihadisten die ganze Stadt Kobane erobern, hätten sie einen langen, durchgängigen Grenzstreifen zum Nato-Land Türkei unter ihrer Kontrolle.