Körperliche Züchtigung: Britisches Ohrfeigen-Verbot wankt

Politiker sieht in fehlender Züchtigung Grund für Krawalle.

London. Gewalt, Plünderungen, brennende Häuser — die Bilder der Londoner Unruhen gingen im vergangenen August um die Welt. Noch immer versuchen Politiker und Sozialarbeiter zu verstehen, warum die Lage im Norden der Hauptstadt derart eskalieren konnte. David Lammy, Unterhausabgeordneter des Krawallbezirks Tottenham, liefert jetzt eine provokante Erklärung: Das Ohrfeigen-Verbot erschwere Eltern von Problem-Teenagern die Erziehungsarbeit.

Die Szenen waren schockierend, die Fotos der mehr als 1000 festgenommenen Täter auch: Kindergesichter, manche nicht älter als elf Jahre, steckten vielfach unter den Kapuzenjacken des Mobs, der tagelang ungehindert wütete. „Die Abschaffung körperlicher Bestrafung sehen viele Eltern als Grund für den Kontrollverlust über ihre Kinder“, sagt David Lammy.

Der Labour-Politiker vertritt den Problembezirk Tottenham, in dem die Unruhen ausbrachen. „Was Strafen angeht, sind die Eltern hier nicht Herr im Haus, sollen aber gegenüber Heranwachsenden ihre Autorität behaupten, während direkt vor ihrem Fenster Banden-Kriminalität und Messerstechereien blühen“, kritisiert Lammy. Er plädiert für eine Lockerung des britischen Erziehungsrechts.

Seit 2004 ist körperliche Züchtigung in Großbritannien verboten. Damit werde Eltern nach Meinung des Politikers die Möglichkeit genommen, hart durchzugreifen, wenn dies angemessen sei. „Aus Sorge, Ärger mit dem Jugendamt zu bekommen und das Sorgerecht zu verlieren, setzen Eltern ihren schwierigen Kindern oft gar keine Grenzen mehr“, so Lammy.

Das Ohrfeigen-Verbot wird seitdem kontrovers diskutiert und ist erheblich ins Wanken geraten. Zwei Drittel der Briten geben Lammy in einer aktuellen Erhebung Recht: Sie finden, dass die Disziplin unter Jugendlichen seit dem Verbot körperlicher Züchtigung abgenommen hat und sprechen sich für eine Lockerung der Gesetze aus.

40 Prozent glauben, die Unruhen hätten durch eine schlagkräftigere Erziehung im Elternhaus verhindert werden können. Auch der Londoner Bürgermeister Boris Johnson unterstützt Lammy. Kinderschutzbund und Ärzteverbände hingegen laufen Sturm gegen die Kommentare des Abgeordneten.