Korruptionsaffäre erschüttert die Türkei
Verdächtigen wird Geldwäsche und Bestechung vorgeworfen. Darunter sind Söhne von Ministern.
Istanbul. Die Regierungsgegner in der Türkei haben ein neues Symbol: mit Geldscheinen gefüllte Schuhkartons, wie sie Demonstranten am Samstag in Istanbul und Ankara anklagend in die Luft reckten. Versteckt in solchen Kartons sollen Polizisten beim Direktor der staatlichen Halkbank 4,5 Millionen Dollar gefunden haben. Bankdirektor Süleyman Aslan sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, wie auch die Söhne zweier Minister.
Der Korruptionsskandal, der das Land erschüttert, stellt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor die größte Herausforderung seiner Amtszeit. Größer noch als die schweren Proteste im Sommer. So sehen es zumindest regierungskritische Medien.
Die Vorwürfe haben das Zeug zum Krimi. Es geht um illegale Baugenehmigungen, die gegen Schmiergeld erteilt worden sein sollen. Mit Goldtransfers über die Halkbank, so der Verdacht, wurden internationale Sanktionen gegen den Iran umgangen. Dabei sollen Millionen Euro Bestechungsgelder geflossen sein. Mehr als ein Jahr lang ermittelten Polizei und Justiz geheim, ohne dass die Regierung davon erfuhr. Einer der Verdächtigen ist der Sohn von Innenminister Muammer Güler — des Ministers, der der Polizei vorsteht.
An die Öffentlichkeit gelangten belastende Abhörprotokolle und Fotos. Auf Bildern waren Geldstapel neben einer Banknoten-Zählmaschine zu sehen, die bei Gülers Sohn gefunden worden sein soll. Andere Fotos zeigten Beamte, die besagte Schuhkartons aus dem Haus des Halkbank-Chefs abtransportierten. Der Kolumnist der Zeitung „Hürriyet“, Yilmaz Özdil, spottete, das Kürzel von Erdogans Partei AKP — eigentlich Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung — stehe in Wahrheit für „Geld im Schuhkarton“.
Die Anfangsbuchstaben des Parteinamens (AK) bedeuten auf Türkisch „weiß“ oder „sauber“, denn mit dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen, hatte Erdogan vor elf Jahren sein Amt angetreten. Umso größer jetzt die Bedrängnis.
Erdogan geißelt die Ermittlungen als „dreckige Operation“gegen seine islamisch-konservative Regierung (siehe Kasten). Ähnlich hatte er im Sommer auf landesweite Proteste reagiert, die sich an Regierungsplänen für die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul entzündet hatten. Schon damals wurde spekuliert, dass es bei Bauprojekten nicht mit rechten Dingen zugehe.