Mali-Experte: „Das ist kein Projekt für ein paar Monate, sondern für Jahre“

Mali-Experte Christoph van Edig über das Eingreifen der französischen Armee gegen die Islamisten im Land.

Niamey. Seit dem Eingreifen der französischen Truppen befinden sich die Islamisten fast überall in Mali auf dem Rückzug. Vom Nachbarland Niger aus beobachtet der Deutsche Christoph van Edig den Konflikt. Als Koordinator für die Sahel-Region des Friedens- und Entwicklungsdienstes Eirene kennt er Mali seit Jahren.

Herr van Edig, sind Sie froh, dass die Franzosen eingegriffen haben?

van Edig: Wir hatten lange auf eine Verhandlungslösung gehofft, aber nun wird wohl die französische Intervention die Existenz des malischen Staates sichern.

Es ist immer die Rede vom Kampf gegen Islamisten. Ist das in Mali tatsächlich ein religiöser Konflikt?

van Edig: Nein, so einfach ist es nicht. Da ist zum einen die große Unzufriedenheit der Tuareg, einer Ethnie, die sich seit langem vom Staat im Stich gelassen fühlt. Zum anderen spielt der florierende Drogenhandel dort, von dem mehrere Gruppierungen profitieren, eine große Rolle. Und natürlich das massive Einsickern von Tuareg-Kämpfern aus dem Norden. In Libyen waren sie von Gaddafi rekrutiert worden. Danach flohen sie mit vielen Waffen im Gepäck nach Mali. Das ergab eine explosive Mischung.

Wie ist die Situation im von den Islamisten kontrollierten Norden?

van Edig: Unsere einheimischen Mitarbeiter berichten, dass dort die Scharia in bisher nicht üblicher Weise eingeführt worden ist und willkürlich angewendet wird. Es soll zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen sein, zum Beispiel der Steinigung von unverheiratet zusammenlebenden Paaren. Frauen trauen sich in vielen Regionen nicht mehr allein auf die Straße.

Teilen Sie die Befürchtung westlicher Staaten, dass Mali unter den Islamisten zu einem Rückzugsort für Terroristen werden würde?

van Edig: Das ist Mali im Norden schon seit fünf Jahren. Es ist ein Rückzugsgebiet für Extremisten aus ganz Nordafrika. Und diese Gefahr wäre allein mit einem militärischen Erfolg gegen die Islamisten auch noch nicht gebannt.

Wieso?

van Edig: Weil die Kämpfer dann in den Untergrund gehen und so den Krieg fortsetzen. Der malische Staat in seiner derzeitigen Verfassung ist überhaupt nicht in der Lage, das gesamte Territorium zu kontrollieren. Der Staat, seine Institutionen und Strukturen müssen ganz neu aufgebaut werden. Und den Islamisten muss der Nährboden entzogen werden. Das schafft man nur im Dialog mit den Tuareg und indem man für junge Menschen dort eine Perspektive schafft. Das ist kein Projekt für ein paar Monate, sondern für Jahre.