Fotojournalismus „Manchmal fast lustig“ - Bilder einer verstörenden Seite des Krieges

Krieg ist Horror, aber nicht nur: Der Kölner Fotograf Christoph Bangert hat die absurden Momente des Krieges festgehalten und in einem Buch veröffentlicht. Sie zeigen: Krieg ist manchmal lustig. Das macht ihn nicht weniger schlimm.

Ein amerikanischer Soldat sucht in einem Wassertank nach Waffen. Das Foto ist aus dem Buch "Hello Camel" von Christoph Bangert.

Foto: Christoph Bangert/laif/Kehrer Verlag/dpa

Köln (dpa) - Ein Kamel lugt neugierig über eine Mauer, ihm gegenüber: zwei amerikanische Soldaten. Vermutlich haben sie kurz zuvor oder danach laut „Camels!“ gerufen, wie so oft in den Einsatzgebieten der U.S.-Army. Christoph Bangert hat die Situation vor fast genau elf Jahren im Irak festgehalten, sie ist auch auf dem Titel des Buches zu sehen, das der Kriegsfotograf aus Köln im Juni veröffentlicht hat.

Die Fotos in „Hello Camel“ zeigen absurde, komische und damit äußerst befremdliche Situationen des Krieges: Das Bild einer improvisierten Toilette der Bundeswehr auf einem Kampfplatz mitten in der Wüste in Afghanistan zum Beispiel. Soldatinnen im Bikini am Pool. Militärs im Irak, die eine Torte anschneiden und hinter denen eine Flagge hängt, auf der in arabischen Schriftzeichen „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“) steht. „Ich habe noch nie so doll gelacht wie im Krieg“, schreibt Bangert im Vorwort.

"Hello Camel" - Die andere Seite des Krieges
8 Bilder

"Hello Camel" - Die andere Seite des Krieges

8 Bilder

„Dass Krieg manchmal fast lustig ist, ist überraschend, verwirrend, ja, verstörend, könnte man sagen“, sagt er. Lustig machen will sich Bangert keineswegs über den Krieg, er will ihn auch nicht beschönigen. Er weiß, wie er ist: So banal, dass einem oft das Lachen im Halse stecken bleibe.

Seit er für einen Foto-Austausch während seines Studiums nach Jerusalem fuhr, reiste er immer wieder in die Krisengebiete dieser Welt, nach Palästina, Afghanistan, in den Irak. Dort sind die Aufnahmen in „Hello Camel“ zwischen 2003 und 2013 entstanden. „Für viele ist Krieg der Kampf Gut gegen Böse. Das stimmt auch, aber es ist nicht alles“, sagt er. Was die Menschen in der westlichen Welt seines Erachtens nach davon nicht zu sehen bekommen: die Absurdität und den wirklichen Horror.

Letzterem hat der 38-Jährige vor zwei Jahren ein Buch gewidmet. Im kleinformatigen „War Porn“ (Deutsch: „Kriegspornografie“) zeigt er einen Toten, der auf einer Müllkippe liegt. Einen Schwerverletzten, der in einem Krankenhaus in Bagdad darauf wartet, in eine andere Klinik zu kommen. Oder einen blutüberströmten Mann, um den sich Soldaten kümmern.

„Es ist ein aufwühlendes Buch. Man klappt es auf und will es sofort zuklappen. Aber zu spät. Da sind die Fotos schon reingeknallt in den Kopf, und dort bleiben sie“, schrieb die „taz“ darüber. Bangert selbst sagte „Zeit Online“: „Niemand will diese Fotos sehen.“ Aber für ihn sei es unmoralisch, solche Situationen nicht zu fotografieren. „Das Ereignis ist das Schlimme, die Bilder sind nichts.“

Er sei sauer gewesen, dass seine Auftraggeber - etwa die „New York Times“ - die wirklich schlimmen Bilder aussortierten. „Krieg ist kein Unfall, er wird aktiv betrieben. Er hat einen Sinn und einen Nachrichtenwert.“ Und er ist Teil der Realität. Mit diesem Credo ist er zum Fotografen geworden, der die unveröffentlichten Bilder zeigt. Sie sollen eine Reflexion über den Krieg ermöglichen.

Mit „Hello Camel“ setzt Bangert „War Porn“ fort. Beide Bücher zusammen zeigen, dass Krieg chaotisch, verwirrend und brutal ist. Aber dass auch immer wieder die Kraft durchbricht, Normalität zu schaffen. Sie zeugen von zwei unterschiedlich verstörenden und den weniger bekannten Seiten des Krieges. Damit appelliert Bangert auch an die Medien. Statt danach zu fragen, was die Leute sehen wollen, müsste die Frage lauten: „Was wollen wir den Leuten zeigen?“

In der vergangenen Zeit war Bangert weniger oft in den Krisengebieten unterwegs. Er hat mit seiner Frau Chiho, mit der er und seine Kinder in einer Einfamilienhaus-Siedlung in Köln leben, an den Büchern gearbeitet, Pause gemacht. „Man kann sich auch darin verlieren.“ Im Krieg, meint er. „Hinfahren, das ist sehr einfach, Zurückkommen ist das Schwere.“

Mit seinen Bildern ruft er sich auch selbst vergessene Momente zurück in Erinnerung. Und sorgt dafür, dass sie auch von anderen erinnert werden. Sein Wunsch: Die Bilder irgendwann im Irak auszustellen, eine Party zu feiern, wenn dort das normale Leben wieder Überhand gewinnt. „Denn nirgendwo ist immer Krieg.“