Margaret Thatcher: Das umstrittene Erbe der „Eisernen Lady“
Die Beerdigung Margaret Thatchers am Mittwoch wird pompös. Gegner kritisieren: Die Bilanz der Ex-Premierministerin ist desaströs.
London. Selbst der Glockenklang von Big Ben verstummt am Mittwoch, wenn Pferde den Sarg von Margaret Thatcher zur feierlichen Beisetzung durch die Londoner Innenstadt ziehen. Doch die pompöse Zeremonie macht viele Thatcher-Kritiker so wütend, dass 4000 Polizisten den Trauerzug vor Demonstranten sichern sollen. Das Argument der Gegner: Ein Abschied in Würde passt nicht zu der verheerenden politischen Bilanz der ehemaligen Premierministerin.
Die Frage nach Thatchers Erbe polarisiert Großbritannien auch über den Tod der Politikerin hinaus. Bewunderern gilt sie als Heldin, die die schlingernde britische Wirtschaft auf Kurs gebracht hat, ihren Feinden als grausame Raubtierkapitalistin. Beide Meinungen sind gleich stark vertreten, beide Fraktionen haben gute Gründe. Denn Thatchers Erbe ist eine zweigeteilte Insel.
Beim Thema Jobs ist der Riss zwischen dem Norden und dem Südosten rund um London noch immer schmerzhaft spürbar. Zehntausende Stellen verschwanden unter ihrer Ägide in den Fabriken, den Kohlezechen und Stahlbergwerken von Wales und Nordengland.
Thatcher hatte den Abschwung der Industrie zwar nicht eingeleitet — ihr Höhepunkt war schon in den Sechzigern vorüber —, doch sie trieb den Prozess energisch und ohne soziales Sicherheitsnetz voran. Branchen, die nicht rentabel waren, ließ sie fallen. Die Bankenindustrie galt ihr stattdessen als Hoffnungsträger, der Großbritannien international wieder wettbewerbsfähig machen konnte.
Nicht einmal drei Amtsperioden unter Labour konnten die Spaltung aus den Thatcher-Jahren kitten. Während die Arbeitslosigkeit im Londoner Speckgürtel minimal ist, halten sich viele Kommunen im Norden unverändert bei 15 Prozent. Dass sie die Macht der Gewerkschaften dauerhaft einschränkte, war dabei nur ein Problem von vielen. Viel schlimmer wirkte sich aus, dass im neuen Finanz-Britannien für arbeitslose Industriearbeiter kein Platz mehr war. Ein Großteil neuer Hauptstadtjobs ging und geht auch weiterhin an die qualifizierte Elite aus dem Ausland.
Thatcher legte mit ihrer rabiaten Europa-Skepsis nicht nur die Wurzel für die heutigen Verstimmungen zwischen der Insel und dem Kontinent, sie machte das Land auch zu einer Nation der Hausbesitzer. Tausenden Sozialhilfeempfängern gab sie in den Achtzigern die Möglichkeit, ihr Staatsdomizil günstig zu erwerben. Die Hauspreise sind seit ihrer Amtszeit stetig gestiegen.
Wer Betongold besaß, konnte sich freuen. Wer den Anschluss in den Achtzigern verpasst hat, hat das Nachsehen. Die Kluft zwischen reichen und armen Regionen, und damit zwischen ihren Fans und ihren Gegnern, hat Thatcher auf diese Weise selbst zementiert.
Die Eiserne Lady, die schon zu Lebzeiten alle Details ihrer Beerdigung festgelegt hat, will sich als starke Kämpferin inszeniert sehen. Mehr als 700 Soldaten flankieren auf ihren Wunsch den Sarg. Gegen Umfang und Art dieser Selbst-Würdigung laufen Kritiker Sturm, die die Glorifizierung angesichts der sozialen Verwerfungen, die Thatcher eben auch produziert hat, für unangemessen halten. Weil die Polizei plant, hart gegen jeden Randalierer vorzugehen, wollen Demonstranten nun dem vorbeirollenden Sarg geschlossen den Rücken kehren.