9 Gigabyte Daten abgeschöpft Massiver Hackerangriff auf Präsidentschaftskandidat Macron
Paris (dpa) - Vor der Stichwahl des französischen Präsidenten überschattet ein groß angelegter Hackerangriff auf den Favoriten Emmanuel Macron das Wahlkampf-Finale. Unmittelbar vor der Abstimmung an diesem Sonntag gelangten zahlreiche Dokumente seiner Mitarbeiter ins Internet.
Macrons Bewegung „En Marche!“ kritisierte eine „massive und koordinierte“ Attacke, deren Ziel eine Destabilisierung der Demokratie sei.
Die französische Kommission zur Kontrolle des Wahlkampfs sprach ebenfalls von einer Computer-Attacke. Sie rief Medien und Bürger am Samstag auf, die Inhalte nicht zu verbreiten, um die Wahl nicht zu beeinträchtigen. Es seien nach aller Wahrscheinlichkeit auch Fälschungen darunter, und die Verbreitung unwahrer Informationen könne strafrechtlich verfolgt werden. Die großen französischen Medien kamen der Aufforderung am Samstag nach. Wer hinter dem Cyberangriff steckt, blieb zunächst unklar.
„En Marche!“ zog eine Parallele zum letzten Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Dort hatten Wikileaks-Veröffentlichungen kurz vor der Wahl im November der favorisierten Demokratin Hillary Clinton schwer zugesetzt. Letztlich verlor Clinton überraschend gegen Donald Trump.
Macrons Bewegung erklärte, die eingestellten E-Mails, Verträge sowie andere interne Dokumente seien schon vor Wochen durch Angriffe auf E-Mail-Konten erbeutet worden. Nach Angaben der Enthüllungsplattform Wikileaks beträgt der Umfang rund neun Gigabyte, es handele sich um Zehntausende Dokumente. Wikileaks verlinkte auf das Material, erklärte aber, nicht selbst hinter der Veröffentlichung zu stecken.
Der 39-jährige frühere Wirtschaftsminister und Investmentbanker geht laut letzten Umfragen vom Freitag als Favorit in die Stichwahl. Er lag bei um die 62 Prozent der Stimmen, seine Konkurrentin Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National (FN) kam auf 38 Prozent. Im Gegensatz zu Le Pen vertritt Macron eine EU-freundliche Linie.
Am Wahlwochenende galten strikte rechtliche Beschränkungen: So durften sich Macron und Le Pen nicht mehr in elektronischen Medien äußern, auch Umfragen waren tabu.
Die zweite Wahlrunde gilt wegen Le Pens Anti-EU-Kurs als Richtungsentscheidung für den ganzen Kontinent. Sie will in dem Euro-Land wieder eine nationale Währung einführen und über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen.
Die ersten Franzosen konnten am Samstag bereits ihre Stimme abgeben: Mehrere französische Überseegebiete wählten wegen der Zeitverschiebung bereits einen Tag früher. Der Großteil der 47 Millionen Wahlberechtigten kann dann am Sonntag wählen. Wegen der Terrorgefahr sollen mehr als 50.000 Polizisten die Wahl zu schützen.
Während des französischen Wahlkampfs war immer wieder vor der Gefahr von Cyberattacken gewarnt worden. Die IT-Sicherheitsfirma Trend Micro hatte Ende April berichtet, Macrons Wahlkampagne sei Ziel der Hackergruppe „Pawn Storm“ geworden. Westliche IT-Sicherheitsfirmen vermuten dahinter eine Gruppe mit mutmaßlicher Nähe zu russischen Geheimdiensten, die auch hinter Hackerangriffen auf den Parteivorstand der US-Demokraten und die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel stecken soll.
Der belgische Forscher Nicolas Vanderbiest sagte der Zeitung „Libération“, als Erstes sei auf der Webseite „4chan“ zu der Datensammlung verlinkt worden. Das umstrittene Message- und Imageboard war in der Vergangenheit etwa wegen der Veröffentlichung gestohlener Nacktbilder von Prominenten bekannt geworden. In bestimmten Bereichen von „4chan“ gibt es zudem eine große Fangemeinde des US-Präsidenten Donald Trump, die ihn im Wahlkampf unterstützte.
Ein stellvertretender Vorsitzende von Le Pens Front National, Florian Philippot, reagierte noch am Freitag auf Twitter: „Werden wir durch die #MacronLeaks Dinge erfahren, die der investigative Journalismus absichtlich verschweigt? Schrecklich, dieser demokratische Schiffbruch.“ Er veröffentlichte die Nachricht kurz vor Mitternacht - dem offiziellen Ende des Wahlkampfs.
Die Debatte um Angriffe auf „En Marche“ dauert schon seit Monaten und erreicht nun einen neuen Höhepunkt. Mitte der Woche gab es in sozialen Netzwerken Gerüchte, dass Macron ein Konto in einem Steuerparadies habe. Le Pen spielte im einzigen TV-Duell vor der Wahl auf diese Vorwürfe an. Macron erstattete Anzeige gegen Unbekannt, die Staatsanwaltschaft nahm Vorermittlungen auf wegen des Verdachts der Verbreitung einer Falschnachricht.