Merkel mahnt Orban: Opposition und Medien wertschätzen
Budapest (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Ungarns rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban aufgefordert, kritische Bürger in seinem Land besser zu behandeln.
Sie distanzierte sich am Montag in Budapest auch von Orbans Vorstellungen einer Regierungsführung nach dem Vorbild Russlands oder Chinas. Zugleich warb Merkel für eine einheitliche Linie der Europäer in der Ukraine-Krise. Waffenlieferungen an die Ukraine für ihren Kampf gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes schloss Merkel aus. Kreml-Chef Wladimir Putin wird in zwei Wochen in Budapest erwartet.
Im Gespräch mit Studenten an der Andrassy-Universität sagte Merkel: „In der Demokratie geht es auch darum, Mehrheiten mit Augenmaß zu nutzen, Minderheiten zu schützen.“ In demokratischen Gesellschaften gebe es keinen Grund, in der Zivilgesellschaft und in kritischen Bewegungen und Medien eine Gefahr zu sehen. „Im Wettstreit der Meinungen entsteht ein Fortschritt, ein Mehrwert an Erkenntnissen.“
Orbans Fidesz-Partei, die zur Familie der Konservativen in Europa gehört, verfügt über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Dem ungarischen Regierungschef werden ein autoritärer Regierungsstil und der Missbrauch der verfassungsändernden parlamentarischen Mehrheit vorgeworfen. Nach Angaben der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat Orban die staatliche Kontrolle über die Medien in dem EU-Mitgliedsland massiv ausgeweitet.
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Gastgeber kritisierte Merkel das von Orban im vorigen Jahr angekündigte Modell einer „illiberalen Demokratie“: „Ich persönlich kann mit dem Begriff illiberal im Zusammenhang mit Demokratie nichts anfangen.“ Für sie seien die Wurzeln der Demokratie immer auch liberale Wurzeln. Orban entgegnete: „Nicht jede Demokratie ist notwendigerweise liberal.“
Die ungarische Anti-Terror-Polizei TEK untersagte eine Kundgebung von Bürgerrechtlern vor der deutschsprachigen Andrassy-Universität in Budapest, wo Merkel mit Studenten sprach. Dies gab die Initiative „Most mi!“ (Jetzt wir) auf ihrer Facebook-Seite bekannt. Die Initiative beklagt undemokratische Zustände in Ungarn.
Orban machte die sensible Lage seines Landes als ukrainischer Nachbarstaat und Empfänger russischer Energielieferungen deutlich und ließ seine Haltung zu Russland offen. Er sagte lediglich: „Wir Ungarn können nur auf der Seite des Friedens stehen.“ Er unterstütze keine Lösung, die den Konflikt vertiefe.
Merkel betonte die Notwendigkeit der europäischen Geschlossenheit, etwa wenn Sanktionsbeschlüsse der EU gegen Russland gefasst oder verlängert werden sollen. „Da ist Viktor Orban ein Ministerpräsident, ein Kollege, der durchaus Kompromisse schließt für das einige Europa.“
Weiter betonte die Bundeskanzlerin: „Deutschland wird die Ukraine mit Waffen nicht unterstützen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann.“ Die „New York Times“ hatte berichtet, ranghohe Vertreter aus US-Militär und Regierung seien offen für Waffenlieferungen. Merkel pochte mit Blick auf neue Gefechte im Osten der Ukraine auf das Waffenstillstandsabkommen von Minsk. Sie warb um weitere Einigkeit der Europäischen Union bei allen bisher gefassten Beschlüssen. Dies sei „ein hohes Gut“.