Merkel und EU erhöhen Druck auf Ukraine im Fall Timoschenko
Berlin/Brüssel (dpa) - Im Streit um die Freilassung der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko und das geplante Assoziierungsabkommen müsse sich Kiew endlich bewegen, forderten die EU-Außenminister am Montag in Brüssel.
Notwendig seien „mehr als Lippenbekenntnisse“, sagte Merkel im Bundestag. Das Parlament der Ukraine will am Dienstag einen neuen Anlauf nehmen, um den Weg freizumachen für eine Behandlung Timoschenkos in Deutschland.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso telefonierte mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. „Das Ziel ist es, den Gipfel (zur Unterzeichnung des Abkommens) voranzubringen“, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montagabend in Brüssel mit. Der zuständige EU-Kommissar Stefan Füle werde am Dienstag nach Kiew reisen, um mit Janukowitsch zu besprechen, „wie man das erreichen kann“.
Das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine steht auf der Tagesordnung des EU-Gipfels zur östlichen Partnerschaft Ende des Monats in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Die Bedingungen für die Unterzeichnung seien noch nicht erfüllt, betonten die Außenminister der EU-Staaten. Merkel rief die Ukraine auf, endlich mit „glaubhaften Schritten“ ihren Willen zu Reformen unter Beweis zu stellen.
Die Freilassung der kranken Timoschenko erwähnte Merkel in ihrer Regierungserklärung nur indirekt. Sie forderte die Ukraine aber auf, „glaubhafte Schritte“ zur Überwindung der politisch motivierten „selektiven Justiz“ zu unternehmen, „wofür symbolhaft der Fall von Julia Timoschenko steht“. Eine Annäherung der Ukraine an die EU sei nicht gegen Russland gerichtet, betonte die amtierende Kanzlerin. Kiew sehe sich „erheblichem Druck“ aus Moskau ausgesetzt. Dazu sagte Merkel: „Ein Vetorecht Dritter kann es nicht geben.“
Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle betonte in Brüssel: „Wir wollen, dass die Ukraine sich in Richtung Europa orientiert. Aber die Voraussetzungen müssen auch stimmen.“ Für die Frage, ob es in der Ukraine rechtsstaatlich zugehe, sei „der Fall von Frau Timoschenko ganz sicherlich von besonderer Bedeutung“. Das Abkommen soll am 29. November unterschrieben werden. „Die Zeit rennt und die Zeit läuft aus“, sagte Westerwelle.
Der litauische Außenminister Linas Linkevicius, dessen Regierung Gastgeber des geplanten Gipfels über die östliche Partnerschaft der EU ist, sagte in Richtung Kiew: „Wir haben nicht mehr viel Zeit, aber ein bisschen Zeit haben wir noch.“
Timoschenko ist seit August 2011 wegen Amtsmissbrauchs in Haft. Seit April 2012 läuft ein weiteres Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte dazu: „Sie (die Ukrainer) wissen, dass sie das Thema der selektiven Justiz lösen müssen, und sie wissen, dass das eine extrem wichtige Frage ist.“
Das Parlament in Kiew bemühte sich um einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf, der eine Behandlung Timoschenkos in Deutschland möglich machen würde. Eine Einigung war jedoch ungewiss. Der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko warf der Führung in Kiew vor, die Entwicklung des Landes zu bremsen. „Unter den Ländern, die heute in die EU streben, hätte die Ukraine zur Lokomotive werden können. Doch wegen der falschen Regierungspolitik wurde sie zum Schlusslicht“, sagte er am Montag.