Merkel will Afghanistan nicht im Stich lassen
Masar-i-Scharif (dpa) - Bei einem Blitzbesuch in Afghanistan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Land Unterstützung auch nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 angeboten.
Sie stellte der Regierung von Präsident Hamid Karsai aber zugleich Bedingungen. Knapp eine Woche nach dem Tod eines deutschen Elite-Soldaten in Afghanistan zollte die Kanzlerin bei einem Truppenbesuch in Kundus den Gefallenen ihren Respekt. Den Tod des Soldaten am vergangenen Samstag nannte sie einen Rückschlag. Die afghanische Regierung wurde am Freitag aus Sicherheitsgründen erst kurz vor Merkels Ankunft in Masar-i-Scharif über den eintägigen Besuch informiert.
„Wir wollen die Afghanen und Afghanistan nicht einfach im Stich lassen“, sagte Merkel am Freitag vor Soldaten im nordafghanischen Bundeswehr-Hauptquartier in Masar-i-Scharif. „Wenn die anderen Nationen mitmachen, dann ist Deutschland bereit, auch nach 2014 in ganz anderer Form weiter Verantwortung zu übernehmen.“ Die Kanzlerin stellte aber auch klar, dass es keine bedingungslose Hilfe gebe. „Wir erwarten Fortschritte, wir erwarten faire Wahlen, wir erwarten einen politischen Prozess, denn die Besiegung der Aufständischen wird alleine durch militärische Kraft auch nicht gelingen.“
Am vergangenen Samstag war in der an Kundus angrenzenden Provinz Baghlan ein Elite-Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) getötet worden. Es war das erste Mal, dass ein KSK-Soldat in Afghanistan fiel. Der Hauptfeldwebel geriet in einen Hinterhalt der Taliban und wurde erschossen. Der 32-Jährige war der erste Bundeswehrsoldat seit fast zwei Jahren, der in Afghanistan getötet wurde. Merkels Reise war schon vor dem Todesfall geplant gewesen.
„Jeder Gefallene ist ein schwerer Schlag für uns. Da wir eine längere Zeit keinerlei Gefallene hatten, war es natürlich insofern auch ein Rückschlag“, sagte Merkel in Kundus vor Journalisten. „Es hat uns vor Augen geführt, dass es eine nach wie vor komplizierte Situation ist.“ Sie sagte allerdings auch, dass sich die Strategie der Ausbildung afghanischer Streitkräfte und die Übergabe der Verantwortung an sie bewährt habe. „Vieles ist geschafft.“
Bis zum Auslaufen des Nato-Kampfeinsatzes Ende 2014 übernehmen die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) schrittweise mehr Verantwortung. Die Nato will die ANSF nach 2014 in einer Folgemission ausbilden, beraten und unterstützen. Deutschland hat angeboten, dafür bis zu 800 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Derzeit sind noch 4300 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert.
Bei einer Andacht am Ehrenhain im Bundeswehr-Feldlager in Kundus gedachte Merkel der Toten des Einsatzes. Vor den Soldaten sagte sie: „Da ist mir natürlich wieder auch bewusst geworden, dass Sie Ihren Dienst tun nicht einfach aus Pflichterfüllung, sondern auch unter großen, großen Risiken.“ Die Bundeswehr will das Feldlager in Kundus im Herbst an die Afghanen übergeben und den verlustreichen Einsatz in der Unruheprovinz dann nach knapp zehn Jahren beenden.
Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, die afghanische Regierung sei aus Sicherheitsgründen erst kurz vor der Landung von der Deutschen Botschaft über Merkels Besuch in Kenntnis gesetzt worden. Auch ein Berater Karsais sagte, die Regierung in Kabul habe vorher nicht gewusst, dass Merkel einen Besuch in Afghanistan plane.
Der Präsidentenberater, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte, unangemeldete Besuche entsprächen nicht der „diplomatischen Norm“. Es sei „ziemlich respektlos“, wenn ausländische Regierungsvertreter das Land besuchten, ohne die afghanische Regierung darüber in Kenntnis zu setzen. Merkel flog am Freitag nicht nach Kabul. Karsai traf sie auf der Reise nicht.
Merkel war am Freitagmorgen in Begleitung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Masar-i-Scharif gelandet, wo die Bundeswehr ihren größten Standort in Afghanistan unterhält. Von dort aus flog die Delegation per Hubschrauber nach Kundus. Vor wenigen Tagen waren zwei Bundeswehr-Hubschrauber in Afghanistan von Aufständischen beschossen worden. Niemand kam zu Schaden.
Es ist Merkels fünfter Afghanistan-Besuch seit 2007. Erstmals flog die Kanzlerin direkt mit einem Regierungs-Airbus von Berlin nach Masar-i-Scharif. Bei den vorangegangenen Reisen musste sie aus Sicherheitsgründen im usbekischen Termes in eine Militärmaschine mit Raketenabwehrsystem umsteigen.
Der Afghanistan-Einsatz kostete bislang 53 deutsche Soldaten das Leben. 35 davon starben bei Angriffen und Anschlägen. Merkel hatte die deutschen Soldaten in Afghanistan zuletzt im März 2012 besucht. Sie reiste am Freitag wieder zurück nach Berlin.