Misstöne in Polen: Steinmeier weist Kaczynski-Vorwurf zurück
Warschau (dpa) - Im deutsch-polnischen Verhältnis nehmen die Misstöne kein Ende. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies am polnische Vorwürfe zum Zustand der deutschen Demokratie zurück.
Bei einem Besuch in Warschau sagte Steinmeier, für die Behauptung, im Bundestag herrsche eine Diktatur, gebe es „keine Grundlage“. Er reagierte damit auf eine Interviewäußerung des polnischen Ex-Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski.
Der Vorsitzende der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte gesagt, in Deutschland sei die Demokratie „liquidiert“ worden. Als Beispiel nannte er den Bundestag, wo „die Abgeordneten ohne Zustimmung der Vorgesetzten gar nichts machen können“. Polen steht wegen neuer Gesetze für das Verfassungsgericht und die Medien selbst in der Kritik.
Steinmeiers polnischer Amtskollege Witold Waszczykowski bemühte sich nach dem Treffen mit Steinmeier, die Bemerkungen Kaczynskis herunterzuspielen. Es habe sich um eine persönliche Meinungsäußerung des Parteivorsitzenden gehandelt. Kaczynski gilt als der starke Mann in Polen, auch wenn er in der nationalkonservativen Regierung kein Ministeramt hat.
Seit dem Amtsantritt der neuen nationalkonservativen Regierung gab es mehrfach Misstöne zwischen Warschau und Berlin. Polen klagte wiederholt über angebliche Einmischung der EU-Partner in seine inneren Angelegenheiten.
Angesichts der umstrittenen Gesetzesreformen der Warschauer Regierung hob Steinmeier auch am Dienstag auf dem deutsch-polnischen Forum die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung hervor. Bei seiner Würdigung des 25. Jahrestages des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags betonte er vor allem die Bedeutung der zwischenmenschlichen Begegnungen. Wörtlich sagte der SPD-Politiker: „Regierungen kommen und Regierungen gehen.“
Deutschland und Polen seien in einer „Verantwortungsgemeinschaft“ miteinander verbunden, sagte Steinmeier. Er warnte, die deutsch-polnischen Beziehungen hätten zwar einen hohen Stand erreicht, dadurch aber auch eine „größere Fallhöhe“.
Steinmeier sagte, der 25. Jahrestag biete Grund zum Feiern, falle aber auch in „äußerst bedrohliche Zeiten“. Als Beispiele nannte er den Ukraine-Konflikt, die Flüchtlingskrise und die Serie von islamistischen Anschlägen. Der Jahrestag sei deshalb auch eine „Reifeprüfung“ für die deutsch-polnische Freundschaft. „In politisch schwierigen Zeiten kommt es auf den Draht zwischen den Menschen an.“
Der Nachbarschaftsvertrag wurde nach der deutschen Wiedervereinigung 1991 geschlossen. Im Juni soll es dazu in Berlin gemeinsame Regierungskonsultationen geben.