Türkei fordert von EU volle Umsetzung von Visumfreiheit
Istanbul/Straßburg (dpa) - Angesichts wachsender Bedenken bei der geplanten Visumfreiheit für Türken hat Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die EU zur vollen Umsetzung ihrer Zusage aufgefordert.
„Falls nicht, kann natürlich niemand erwarten, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen hält“, sagte Davutoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montagabend in Ankara vor einer Reise nach Straßburg. Bei den im Flüchtlingspakt vereinbarten Punkten wie der Visumfreiheit könne es keine Kompromisse geben.
Die „Welt am Sonntag“ hatte unter Berufung auf Diplomaten berichtet, die für Ende Juni geplante Visumfreiheit solle nach dem Willen zahlreicher EU-Länder - darunter Deutschland und Frankreich - nicht unbeschränkt gelten. Stattdessen solle sie etwa an die Rücknahme von Flüchtlingen und die Einhaltung von Menschenrechten gekoppelt sein.
Davutoglu sagte, er gehe weiterhin davon aus, dass die Visumfreiheit für Reisen in die EU wie angestrebt im Juni in Kraft trete. Von den 75 Bedingungen habe die Türkei inzwischen 58 erfüllt. Die restlichen 17 Punkte sollten bis Mai abgearbeitet werden.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte: „Mehr noch als die Türkei die Europäische Union benötigt, braucht die Europäische Union die Türkei.“ Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor im Parlament gewarnt: „Wenn die EU ihr Wort nicht hält, werden wir alle Abkommen inklusive des Rücknahmeabkommens aufkündigen.“
Beim Flüchtlingsgipfel im März hatte die Türkei zugesagt, Flüchtlinge von den griechischen Inseln wieder zurückzunehmen. Im Gegenzug stellte die EU der Regierung in Ankara - neben Milliardenhilfen für Flüchtlinge in der Türkei und einer Wiederbelebung des Beitrittsprozesses - von Ende Juni an Visumfreiheit in Aussicht. Außerdem nimmt die EU für jeden von Griechenland zurückgeschickten Syrer einen anderen Syrer aus der Türkei legal auf.
Davutoglu sagte am Dienstag während der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg, die Flüchtlingskrise sei ein „Härtetest für Europa und den Rest der Welt“. Die Parlamentarische Versammlung setzt sich aus Delegationen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates zusammen, dem die Türkei - anders als der EU - angehört.