Mutmaßlicher Boston-Täter ist vor Zivilgericht angeklagt
Washington (dpa) - Einer der mutmaßlichen Attentäter des Bombenanschlags von Boston ist wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen angeklagt worden.
Wie Generalstaatsanwalt Eric Holder in Washington am Montag mitteilte, soll Dschochar Zarnajew für den Tod von drei Menschen und die Verletzungen von 200 weiteren Opfern zur Verantwortung gezogen werden. Zuvor hatte das Weiße Haus erklärt, der 19-Jährige komme nicht vor ein Militärgericht, sondern bekomme ein Zivilverfahren. „Er wird nicht als feindlicher Kämpfer behandelt“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, vor Journalisten.
Damit hat Zarnajew das Recht zu schweigen und einen Anwalt zu seinem ersten Verhör hinzuzuziehen. Die Frage, ob dem 19-Jährigen diese sogenannten „Miranda“-Rechte zugesprochen werden, hatte am Wochenende zu einem öffentlichen Streit geführt. Nach Informationen des Fernsehsenders CNN beginnt der Prozess am 30. Mai. Vor Gericht droht Dschochar Zarnajew die Todesstrafe. Derweil wächst die Kritik an der US-Bundespolizei FBI.
Der schwer verletzte jüngere der beiden verdächtigen Zarnajew-Brüder wurde am Mittag (Ortszeit) in seinem Krankenzimmer in Boston von einem Richter aufgesucht. Zuvor hatten die Ermittler ihn weiter befragt. Wegen einer schweren Schussverletzung am Hals konnte der mutmaßliche Täter ihnen nur schriftlich antworten. Über den Inhalt der Befragung und Zarnajews Bereitschaft zu kooperieren wurde vorerst nichts bekannt. Sein sechs Jahre älterer Bruder und mutmaßlicher Komplize Tamerlan Zarnajew war am Freitag bei einer Verfolgungsjagd gestorben.
Genau eine Woche nach dem Bombenanschlag gedachten die Bewohner des US-Bundesstaates Massachusetts am Montag in einer Schweigeminute der Opfer. Auf den Punkt um 14.50 Uhr (Ortszeit), dem Zeitpunkt der ersten Explosion, stand das Leben dort für eine Minute still. Anschließend läuteten in ganz Massachusetts die Kirchenglocken. Auch US-Präsident Barack Obama nahm von seinem Amtssitz in Washington aus an der Schweigeminute teil.
Am Vormittag war das erste der drei Bombenopfer beigesetzt worden. Hunderte Trauergäste verabschiedeten sich von der 29-jährigen Krystle Campbell in ihrer Heimatstadt Medford. „Sie hatte ein Herz aus Gold“, sagte ihre weinende Mutter Patty Campbell Journalisten. Ihre Tochter, eine Restaurantmanagerin, war unter den Zuschauern, als die Sprengsätze kurz vor der Ziellinie detonierten. Außer der jungen Frau starben ein achtjähriger Junge und eine chinesische Studentin der Boston University. Für die 23-Jährige war dort für Montagabend (Ortszeit) eine Trauerfeier geplant.
Die bei dem Doppelanschlag verletzten Teilnehmer und Schaulustigen befinden sich anscheinend auf dem Weg der Besserung. „Ich bin zuversichtlich, dass wir keinen Patienten verlieren werden“, sagte Dr. George Velmahos, Traumaspezialist des örtlichen Massachusetts General Hospital vor Journalisten.
Die US-Bundespolizei FBI gerät derweil immer mehr in die Kritik: Sie soll Hinweise aus Russland auf den getöteten Bruder, den 26 Jahre alten Tamerlan Zarnajew, nicht ernst genommen haben. Die Kongressabgeordneten Michael McCaul und Peter T. King sprachen von einem „geheimdienstlichen Versagen“, wie die „New York Times“ berichtete.
Der Fall werfe ernsthafte Fragen über die Wirksamkeit der Terrorismusbekämpfung in den USA auf, schrieben die beiden Republikaner in einem an das FBI, das Heimatschutzministerium und den Chef der Nationalen Nachrichtendienste adressierten Brief, aus dem auch „USA Today“ zitierte. McCaul ist der Vorsitzende des Ausschusses für Heimatschutz im US-Repräsentantenhaus und hat Zugang zu Geheimdienstinformationen, auch King ist Terrorismusexperte.
Der getötete Tamerlan Zarnajew sei bereits der fünfte Verdächtige seit den Anschlägen vom 11. September 2001, dem Verstrickungen in einen terroristischen Angriff vorgeworfen würden, während er unter FBI-Beobachtung stehe, hieß es. Das FBI hatte Tamerlan als „radikalen Islamisten“ im Visier und auf Wunsch einer ausländischen Regierung überprüft. Laut US-Medien bestätigte die Behörde inzwischen, dass es sich dabei um Russland gehandelt habe.