Nato warnt Moskau vor „historischem Fehler“
Brüssel/Moskau (dpa) - Scharfe Worte aus Brüssel in Richtung Moskau: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Moskau vor einem Vorrücken russischer Truppen in den Osten der Ukraine gewarnt.
„Falls Russland in der Ukraine weiter einzugreifen versucht, dann zögere ich nicht, das einen historischen Fehler zu nennen“, sagte Rasmussen in Brüssel zum Ende eines Treffens der Nato-Außenminister. Er sei „ernsthaft besorgt“ über die russische Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine.
Moskau bedauerte die Entscheidung der Nato, die Beziehungen zu Russland vorerst einzufrieren. Dies sei ein Rückfall in das „Vokabular aus der Zeit des Kalten Krieges“.
Rasmussen verwies in Brüssel auf den militärischen Oberkommandeur der Nato. Der US-General Philip Breedlove hatte die Lage an der Ostgrenze der Ukraine als „unglaublich besorgniserregend“ bezeichnet und gewarnt, dass Russland mit den dort stationierten Truppen „seine Ziele in drei bis fünf Tagen erreichen“ könnte.
Russland wolle „eine russische Einflusssphäre wiederherstellen, die sich über den gesamten früheren sowjetischen Raum erstreckt“, kritisierte Rasmussen. „Das wäre eine Fehlkalkulation mit riesigen strategischen Folgen“, sagte er zu einem möglichen russischen Vordringen in die östliche Ukraine.
Stattdessen solle Moskau die Lage durch einen Rückzug der Truppen zu deeskalieren. Die Ukraine müsse selbst und ohne Einmischung von außen über ihre künftige Verfassung entscheiden.
Der von Moskau angekündigte russische Truppenabzug ist nach Angaben der Nato bislang nicht erkennbar. Nach Schätzungen stehen 35 000 bis 40 000 russische Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine. „Wir sehen ein Bataillon, das sich bewegt, aber es ist nicht zu erkennen, dass es sich wirklich zurückzieht“, sagte ein militärischer Sprecher der Nato der Nachrichtenagentur dpa. Moskau hatte am Montag behauptet, ein Bataillon - also einige hundert Soldaten - sei in die Kasernen zurückgekehrt
Die baltischen Nato-Mitgliedstaaten begrüßten die geplante Verstärkung der Militärpräsenz der Nato im Osten des Bündnisgebiets. Litauens Außenminister Linas Linkevicius sprach von einer „angemessenen“ Maßnahme, den baltischen Luftraum stärker zu überwachen. Sein estnischer Kollege Urmas Paet forderte die Nato zu einer „langfristigen und dauerhaften Präsenz von alliierten Truppen“ in der Region auf.
Das am Vortag von der Nato verkündete Einfrieren der Zusammenarbeit mit Russland bedeute auch einen Stopp der Kooperation bei der Drogenbekämpfung in Afghanistan und bei der Wartung von Hubschraubern der afghanischen Armee, sagte am Mittwoch ein ranghoher Nato-Diplomat.
Moskau bedauerte die Entscheidung. Sie komme weder Russland noch den Nato-Mitgliedern zugute, betonte das russische Außenministerium. Profitieren würden in erster Linie Terroristen und das organisierte Verbrechen. Zudem kritisierte das Ministerium: „Die Sprache der Mitteilung erinnert an das Vokabular aus der Zeit des Kalten Krieges.“
Der russische Vizeministerpräsident Arkadi Dworkowitsch schloss indes eine Unterbrechung der Gaslieferungen nach Europa aus. „Die Tatsache, dass ich heute hier bin, spricht dafür, wie die Beziehungen in Russland eingeschätzt werden“, sagte Dworkowitsch am Mittwoch bei der Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz in Dresden. Er könne verstehen, dass die deutsche Regierung derzeit eine Art „Pause“ im Verhältnis eingelegt habe.
Gazprom-Chef Alexej Miller hatte zuvor in Brüssel mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und EU-Energiekommissar Günther Oettinger Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit geführt. Moskau habe auch in Zeiten des Kalten Krieges immer zuverlässig Gas nach Westeuropa gepumpt, habe Miller bei dem Treffen am Vortag betont, teilte der russische Staatskonzern am Mittwoch in Moskau mit. „Zudem ist Gazprom heute der einzige Gaslieferant, der Milliarden in die Infrastruktur der europäischen Gasversorgung investiert.“