NSA-Spähaffäre: Die US-Botschaft ist tabu

Die Bundesregierung tut sich schwer mit den Abhör-Enthüllungen. Sie hat kaum Möglichkeiten, gegen die USA vorzugehen.

Berlin. Wenn es das „Abhörnest“ auf dem Dach der amerikanischen Botschaft in Berlin tatsächlich gegeben hat oder sogar noch gibt, wie kann man dann von deutscher Seite aus dagegen vorgehen? Das Gebäude am Pariser Platz, von dem aus Angela Merkels Handy ausgeforscht worden sein soll, ist verbotenes Terrain für deutsche Ermittler.

„Ich kann jetzt nicht sagen, welche Ermittlungsbehörden da dann losgehen“, zuckte der Sprecher des Justizministeriums mit den Schultern. Allerdings habe der Generalbundesanwalt einen „Beobachtungsvorgang“ eingeleitet, also eine Art Vorermittlungsverfahren. „Aber alles vorbehaltlich völkerrechtlicher oder sonstiger Regelungen.“

Genau das ist das Dilemma, in dem die Regierung jetzt steckt. Die neuen Enthüllungen haben zwar mächtig für Aufsehen gesorgt, doch wie man mit ihnen umgehen soll, ist völlig offen. Regierungssprecher Steffen Seibert meinte daher, zunächst einmal müsse aufgeklärt werden, was der Wahrheit entspreche. Fakt ist: Sollten sich die Vorwürfe erhärten, können deutsche Ermittler nicht einfach in die US-Botschaft hineinspazieren und womöglich Verdächtige abführen.

Denn laut Wiener Übereinkommen zu den diplomatischen Beziehungen ist das Gelände einer Botschaft „unverletzlich“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Gleichwohl sehe das Abkommen auch vor, dass Botschaften und deren Vertreter verpflichtetet seien, geltendes Recht zu beachten. In der Praxis bedeutet das nichts. Man könne nur die „Vielzahl deutsch-amerikanischer Kontakte“ nutzen, um an neue Erkenntnisse zum Abhörskandal zu gelangen.

Montag wurde bekannt, dass Merkel bis vor wenigen Monaten vom US-Geheimdienst NSA abgehört worden sein soll — allerdings ohne Wissen von Präsident Barack Obama. Das berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf US-Regierungsvertreter. Zuvor hatte es geheißen, Obama sei seit 2010 informiert gewesen.

Die Abhöraktion sei nach einer von der Regierung im Sommer in Auftrag gegebenen Untersuchung gestoppt worden, heißt es in dem Bericht. Die Regierungsvertreter sagten der Zeitung, bei der NSA liefen so viele Lauschangriffe parallel, dass Obama nicht über alle informiert sei. Solange die Überprüfung läuft, will sich das Weiße Haus nicht äußern.

In Kürze soll nun eine hochrangige Delegation der Bundesregierung zu Gesprächen in die USA reisen. Mit dabei sind laut Regierungssprecher Seibert Vertreter des Kanzleramts und die Präsidenten von Verfassungsschutz sowie Bundesnachrichtendienst, Hans-Georg Maaßen und Gerhard Schindler. Gleichzeitig wird die Abhöraffäre jetzt Thema im Bundestag.

Das Parlament wird am 18. November zusammenkommen, um über die Spionagevorwürfe zu beraten. Wahrscheinlich ist, dass bei der Sitzung auch über die von SPD, Grünen und Linken geforderte Einrichtung eines Untersuchungsausschusses abgestimmt wird.