Obama droht Republikanern mit Alleingang
Washington (dpa) - US-Präsident Barack Obama will sich mit einer Kampfansage an die Republikaner aus seinem politischen Tief befreien. Er werde künftig notfalls auch mit Verordnungen an ihrer Blockadehaltung im Kongress vorbeiregieren, kündigte Obama in seiner Rede zur Lage der Nation an.
„Wo auch immer und wann auch immer ich Schritte ohne Gesetzgebung ergreifen kann, um die Möglichkeiten für amerikanische Familien zu verbessern, werde ich das tun.“
In seinergut einstündigen Rede vor beiden Kammern im Kapitol in Washington setzte er knapp zehn Monate vor den Kongresswahlen ganz auf soziale Themen.Die sich weitende Kluft zwischen Arm und Reich in Amerika war sein zentrales Thema. Demonstrativ forderte Obama vom Kongress eine massive Erhöhung der Mindestlöhne.Sein leidenschaftliches Plädoyer für die Gleichberechtigung von Frauen brachte ihm ungewöhnlich langen Applaus von beiden Seiten ein.
„Amerika steht nicht still - und das werde ich auch nicht“, rief er den Abgeordneten und Senatoren zu. Er werde „mit oder ohne“ sie handeln. Diesen „trotzigen“ Ansatz habe er bestimmter vorgetragen als einzelne Strategien, kommentierte die „New York Times“. Ein „frustrierter Präsident macht es allein“, meinte die „Washington Post“. Präsidiale Erlasse seien in ihrer Wirkung jedoch sehr begrenzt. DieRepublikaner protestierten: Obama breche das Gesetz.
Die Außenpolitik spielte in der Rede wie gewohnt eine kleine Rolle. Den Überwachungsskandal des Geheimdienstes NSA erwähnte Obama nur am Rande. Er verwies darauf, dass er eine Reform abgeordnet habe. Zu den Atomgesprächen mit dem Iran meinte der 52-Jährige: „Die Verhandlungen werden schwierig sein. Sie könnten scheitern.“ Die diplomatische Chance müsse aber genutzt werden. „Ich glaube sehr daran, dass unsere Führung und Sicherheit nicht allein auf unser Militär beruhen kann.“ Dauerhafter im Krieg zu sein, sei keine Lösung.
Erneut bekräftigte Obama sein Ziel, das Gefangenlager Guantánamo auf Kuba zu schließen - ein Dauerthema seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren. Er forderte den Kongress auf, den Weg freizumachen, Häftlinge in andere Länder zu transferieren - derzeit sitzen noch rund 155 Terrorverdächtigte ohne Anklage in dem weltweit kritisierten Lager ein. Er versprach erneut, Drohnenangriffe zu limitieren. Amerika werde aber weiter von Terroristen bedroht.
Die „State-of-the-Union“-Rede ist eine Art Regierungserklärung für das kommende Jahr. Diesmal stand sie bereits deutlich im Zeichen der Kongresswahlen im kommenden November. Für Obamas Demokraten besteht die Gefahr, auch ihre Mehrheit im Senat zu verlieren - der Gesetzgebungsapparat wäre dann ganz in den Händen der Republikaner.
Die Demokraten hoffen, mit sozialen Themen zu punkten. „Die kalte, harte Tatsache ist, dass selbst inmitten der wirtschaftlichen Erholung zu viele Amerikaner nur dafür arbeiten, dass sie gerade über die Runden kommen“, sagte Obama. Zu viele Menschen seien nach wie vor arbeitslos. Vom Kongress forderte er eine Erhöhung der Mindestlöhne um mehr als ein Drittel auf 10,10 Dollar (7,40 Euro). „Sagen Sie ja. Geben Sie Amerika eine Lohnerhöhung.“
Zugleich betonte Obama seinen Willen, die Migrationspolitik zu verbessern. „Lass uns die Einwanderungsreform dieses Jahr schaffen“, appellierte er. Das Gesetz zählt seit seiner ersten Amtszeit zu seinen Prioritäten. Im Kern geht es darum, fast zwölf Millionen illegalen Arbeitern, die zumeist seit Jahren im Land leben, einen Weg in die Legalität zu ebnen. Dafür muss der Kongress zustimmen.
Die Republikaner warfen schon vor der Rede dem Präsidenten vor, seine Befugnisse zu überschreiten und die Verfassung zu missachten. In einer Gegenrede kritisierte die Abgeordnete Cathy McMorris Rodgers, Obama mache zwar wohlklingende Versprechungen. „Doch viele Menschen fühlen sich zurückgelassen.“
Obama steht politisch mit dem Rücken zur Wand: Trotz der sich langsam erholenden Wirtschaft steckt er seit Monaten im Umfragetief. 2013 musste er schwere Schlappen im Kongress hinnehmen. Vor allem Republikaner blockierten eine Verschärfung der Waffengesetze sowie eine Reform der Einwanderungsgesetze.