Obamas Wahlkampf am Hindukusch
US-Präsident stellt die Weichen für das Ende des Militäreinsatzes in Afghanistan.
Kabul/Washington. Mit einem überraschenden Blitzbesuch in Afghanistan hat US-Präsident Barack Obama die Weichen gestellt für das Ende des US-Militäreinsatzes und seine Vision für die Kooperation zwischen Washington und Kabul nach dem Abzug der letzten amerikanischen Kampftruppen skizziert.
Doch die Stippvisite war von Gewalt begleitet. Die Taliban quittierten den Besuch Obamas mit dem Angriff eines ihrer Selbstmordkommandos in Kabul. Elf Menschen starben.
Klammheimlich wurde die Überraschungsvisite des US-Präsidenten in Afghanistan durchgeführt — exakt ein Jahr, nachdem Elitetruppen der US Navy Seals in einer Nacht- und Nebelaktion jenes Wohnhaus in Abottabad, Pakistan, stürmten und Osama Bin Laden, den meistgesuchten Mann auf dem Erdball, töteten.
Nach einem Vieraugengespräch mit Karsai und einem Besuch bei US-Soldaten trat Obama um halb vier Uhr morgens Ortszeit, also vor der abendlichen Prime Time im US-Fernsehen, vor die Kameras. Er kündigte ein „strategisches Partnerschaftsabkommen“ an. Bis September sollen weitere 23 000 US-Soldaten abgezogen werden und bis 2014 die Verantwortung für die innere Sicherheit auf die afghanische Regierung übertragen werden.
Danach soll lediglich ein Kontingent von Sondereinheiten im Lande bleiben, um bei der Ausbildung der Soldaten und Sicherheitskräfte zu helfen und Einsätze gegen Al-Kaida auszuführen.
Obama bekräftigte, dass „es nicht unser Ziel ist, eine Nation nach amerikanischem Vorbild zu bauen und jede verbleibende Spur der Taliban auszulöschen.“ Gleichwohl könne man nicht jenes Machtvakuum hinterlassen, das nach der sowjetischen Invasion vor 30 Jahren den Weg bereitete für die Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban. „Wir müssen den Job zu Ende führen“ sagte der Präsident.
Dabei ist Obamas Überraschungstrip nach Afghanistan auch als Teil der „Mission Wiederwahl“ zu verbuchen. „Selten hat ein Präsident die Rolle als Oberbefehlshaber mit der des Oberwahlkämpfers so anschaulich vermischt“, schrieb die „Washington Post“.
Viele Republikaner, unter anderem Spitzenkandidat Mitt Romney, äußerten ebenfalls den Verdacht, bei der Visite handele es sich um ein taktisches Manöver, mit dem der Präsident bei den amerikanischen Wählern Punkte sammeln wollte.